A Trip down Memory Lane

Ich hatte es schon angedroht, und hier kommt nun der Bericht zur Geburt von meinem Großen. Kann sein, dass alles auch ganz anders war, 5 Jahre und eine Menge Hormone können Erinnerungen ganz erheblich verfälschen 😉

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Freitags dachte ich, dass es losgeht, regelmäßige Wehen aller 8 Minuten. Doch nach 3 Stunden hatten sie sich wieder verflüchtigt und so kam das Baby dann doch nicht am Geburtstag meines Mannes und ich musste mir etwas anderes als Geschenk einfallen lassen 😉

Am Dienstag darauf wurde es aber tatsächlich ernst. Ich war am Abend gegen 23 Uhr ins Bett gegangen und wurde dann gegen 1 Uhr morgens wach, als mein Mann ins Bett kam. Und ich spürte, dass irgendetwas anders war. Ich hatte wieder Wehen, wieder recht regelmäßig aller 8 Minuten. Es tat nicht weh, war nur ein wenig unangenehm. Ich versuchte noch, ein wenig zu schlafen, aber das wollte mir nicht gelingen. Also weckte ich gegen 3 Uhr morgens meinen Mann und teilte ihm mit, dass wohl heute der große Tag sei. Er könne noch in Ruhe wach werden und Kaffee trinken, aber irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft sollten wir uns doch auf ins Krankenhaus machen.

Ich packte in Ruhe die Sachen, maß die Abstände zwischen den Wehen, die weiter aller 7 oder 8 Minuten kamen und allmählich stärker wurden, aber immer noch erträglich waren. Um halb 5 setzten wir uns ins Auto und ich, da mein Mann nie Autofahren gelernt hat, fuhr uns ins 1,5 km entfernte Uniklinikum. Wir meldeten uns auf der Geburtsstation an und kamen in ein kleines Untersuchungszimmer, wo kurze Zeit später eine Hebamme nach mir schaute und meinte, ja, das wären schon Wehen, aber Muttermund erst bei 1-2 Zentimeter, also keine Eile geboten. Ich solle erstmal in dem Zimmer warten, nach dem Schichtwechsel um 6 würde ich dann in einen Kreißsaal kommen. Da es mir soweit gut ging und auch das Fachpersonal der Ansicht war, dass es „echte“ Wehen sind, war ich erstmal beruhigt und wartete geduldig.

Der Schichtwechsel kam und brachte neben unserem eigenen Zimmer leider eine ältere Hebamme, die gut und gerne auch als Feldwebel auf dem Kasernenhof Karriere hätte machen können. Da fehlte jegliches Einfühlungsvermögen und menschliche Wärme, weswegen ich nicht sonderlich böse drum war, dass sie sich nur aller 2 Stunden mal blicken ließ. Mich wunderte es auch nicht, dass zum Mittag der Muttermund immer noch bei nur 1-2 Zentimetern war. Damit sich irgendwas tut, wurden wir spazieren geschickt. Ich fand das doof, weil ich mich nicht in aller Öffentlichkeit schnaufend, watschelnd und manchmal vor Schmerzen leicht gekrümmt präsentieren wollte. Aber das Zimmer ging mir auch langsam aufn Keks. So drehten wir also 1,5 Stunden lang unsere Runden im Klinikgarten und waren kurz vor Schichtwechsel wieder „daheim“. Wehen kamen ein wenig häufiger, die Schmerzen waren aber immer noch erträglich. Ich hatte bislang nur prophylaktisch einen Zugang gelegt und zwei Paracetamol bekommen.

Kurz nach dem Schichtwechsel wurde beschlossen, dass mein Mann, der vor Müdigkeit mittlerweile kaum noch aufrecht stehen konnte, erstmal wieder nach Hause gehen kann, da das hier alles noch ein wenig dauern würde. Auf dem Rückweg könne er doch bitte noch Schokolade mitbringen, denn echte feste Nahrung durfte ich nicht essen, das Abendbrot tags zuvor war meine letzte Mahlzeit gewesen und so langsam hatte ich ein wenig Hunger.

Irgendwann bekam ich auch einen Einlauf, ob nun in dieser oder der Schicht davor weiß ich nicht mehr. Mir war es recht, da so erstens mehr Platz fürs Baby war und so auch die Sauerei bei der Geburt nicht noch vergrößert wurde. Mit dem Schichtwechsel bekam ich auch wieder eine neue Hebamme, auch wieder etwas älter und mit osteuropäischem Akzent, die sich wunderbar um mich kümmerte. Sie erklärte mir die Situation, besprach die nächsten Schritte und erzählte auch, dass auf der Station gerade viele Frauen entbinden würden und es bei einigen wohl zu Komplikationen gekommen ist, weswegen sie nicht permanent bei mir wäre. Sie würde aber die Hebammenschülerin bei mir lassen, was sie dann auch tat. Eben diese Schülerin quälte mich in der Zwischenzeit damit, dass ich mich permanent auf dem Bett von links nach rechts und wieder zurück wälzen musste.

In meinem Pottwalzustand eine echte Tortur und ich ächzte und stöhnte, während ich meinen Bauch ein ums andere Mal auf die andere Seite wuchtete. In diesem Moment war ich heilfroh, den Geburtsvorbereitungskurs gemacht zu haben, denn so wusste ich, dass sich dadurch das Baby ordentlich in den Geburtskanal schrauben kann. Ich teilte auch der Schülerin mit, dass ich sie ohne dieses Wissen wohl auf ewig verfluchen würde. Sie lächelte erleichtert, vermutlich hatten einige Frauen in der Vergangenheit keinen solchen Kurs besucht und genau dies getan. Ich wurschtelte also auf dem Bett rum und wehte fröhlich vor mich hin. In meiner Erinnerung war das alles zwar anstrengend, aber immer noch erträglich.

Im Laufe der ganzen Prozedur fragte ich mal nach PDA, aber da wurde mir gesagt, dass ich damit nicht mehr in die Wanne könne und außerdem mindestens 24 Stunden lang im Krankenhaus bleiben müsse, was ich nicht unbedingt wollte. Also ging es weiter mit Paracetamol und ordentlichem Atmen. Ein wirkliches Zeitgefühl hatte ich bereits nicht mehr, ich war einfach zu sehr beschäftigt, um darauf zu achten. Irgendwann nach 16 Uhr registrierte ich, dass die Hebammenschülerin anfing, Babyklamotten rauszulegen, was ich spannend fand, da die Geburt ja eigentlich noch einige Stunden dauern sollte. Kurz darauf kam die Hebamme rein, untersuchte mich und meinte, dass wir dann doch mal den Papa anrufen sollten. Ich war ein wenig erschrocken, denn damit hatte ich nicht gerechnet. Muttermund war mittlerweile vollständig auf und an sich konnte es nun richtig losgehen.

Die Anrufversuche blieben lange Zeit erfolglos, was mich nicht wunderte, denn wenn mein Mann einmal schläft, dann aber richtig. Gegen 17 Uhr erreichte sie ihn dann und er machte sich wieder auf den Weg. Ich kämpfte nun mit den richtigen Presswehen und die waren auch recht schmerzhaft. Dagegen bekam ich ein Morphiumderivat in die Pobacke gespritzt. Was für ein krasses Zeug. Ich spürte die Schmerzen zwar immer noch in voller Stärke, aber es war mir scheißegal. Ich kann völlig nachvollziehen, warum jemand davon abhängig werden kann. Ich schwebte wie in Watte gepackt auf meinem Bett, presste aber bei jeder Wehe ganz brav mit. Auch wenn die Schmerzen echt heftig waren, fand ich die Situation selbst viel angenehmer als die vielen Stunden davor. Ich war zwar immer noch hilflos, konnte aber das erste mal wirklich etwas tun, aktiv werden. Und so presste ich mit aller Kraft.

Um 17:30 Uhr hatte es dann mein Mann geschafft und traf wieder im Kreißsaal ein, pünktlich zum Show-Down. 3 Presswehen später war der Kleene da und wir endlich eine richtige Familie.
Blieb noch die Frage, wer die Nabelschnur durchschneidet. Mein Mann hatte vorher schon abgelehnt, da er für solche Situationen nicht geschaffen ist. Wir hatten auch vereinbart, dass er jeder Zeit gehen könne, wenn es ihm zuviel wird, ich würde es ihm nicht übel nehmen. Und dem Personal ist auch geholfen, wenn sie nicht noch einen zusätzlichen Patienten zu versorgen hätten. Ich hatte vorher die Hebamme gebeten, mich nach der Geburt zu fragen, ob ich denn die Nabelschnur durchschneiden wollte, was diese auch tat. Aber als ich so nach unten schaute und mir dort ein blutverschmiertes Ärmchen entgegenwinkte, lehnte auch ich ab. War für mich die richtige Entscheidung, die ich nie bereut habe.

Das Kind wurde also von der Hebamme abgenabelt und mit den Worten „Es ist ein Jun-g-e“ (die herrliche Betonung ist uns allen in Erinnerung geblieben) begrüßt. Der größte Schmodder wurde beseitigt und dann lag das Baby auch schon bei mir auf der Brust. Ich bekam ein Wehenmittel gespritzt, damit die Plazenta möglichst schnell nachkam, was sie auch tat. Unter heftigen Ziehen löste sie sich, was ich als äußerst unangenehm empfand und mich immer noch frage, ob man nicht 5 Minuten länger hätte warten können.
Danach kam der Arzt und begutachtete den angerichteten Schaden, ein Dammriss 2. Grades und ein paar Abschürfungen, die genäht werden mussten. Der Arzt machte sich sogleich daran und diese Prozedur war schlimmer als die gesamten Stunden zuvor. Die Nahtstellen wurden lokal betäubt und waren auch nicht das Problem. Nur wischte der Arzt immer wieder das Gebiet trocken und das fühlte sich an, als wenn er dazu grobes Sandpapier benutzte. Das waren einfach nur schreckliche Schmerzen. Außerdem fiel in dieser Zeit auch die gesamte Anspannung der letzten Stunden, Tage, Monate von mir ab und die musste irgendwie raus und so schrie ich bei jedem Wischer. Ich versuchte auch dem Arzt zu erklären, wie es sich anfühlt, was er da machte, aber das schien ihn nicht zu interessieren, er wischte weiter großzügig und inbrünstig da unten rum und es fühlte sich an, als würde es stundenlang kein Ende nehmen.

Als er dann irgendwann fertig war, konnte ich endlich mein Mamaglück genießen und das Kind richtig betrachten und es zum ersten Mal anlegen, was auch sofort gut klappte. Mein Mann kümmerte sich um die Dokumentation der Geschehnisse. Ich hatte vorher mit ihm vereinbart, dass er, sobald das Kind da ist, er sich nur noch um das Kind kümmern sollte. Wenn irgendwas mit ihm ist, wenn es Komplikationen gibt und es spezielle Versorgung braucht, dann solle er ihm nicht von der Seite weichen und gut auf es aufpassen. Ich würde mich um mich selber kümmern bzw. war ich nicht so wichtig. Außerdem war mir so auch eine große Sorge genommen, wusste ich doch den Kleinen gut versorgt.

Der war in der Zwischenzeit begutachtet und für schick befunden worden, so dass wir erstmal wieder alleine gelassen wurden und uns in der neuen Situation zurecht finden konnten. Aus gut informierten Kreisen weiß ich, dass dies nicht aus Rücksichtnahme auf die Eltern passiert, sondern draußen nur jede Menge Papierkram wartete, der ausgefüllt werden musste. Wir bekamen mitgeteilt, dass wir bis zu 4 Stunden nach der Geburt im Kreißsaal bleiben durften, also da auch keine Eile bestand. Da soweit alles gut gelaufen ist, beschlossen wir, unserem ursprünglichen Plan zu folgen und direkt wieder nach Hause zu fahren. Wir teilten das dem Personal mit, die darauf bestanden, dass das Baby vorher noch vom Kinderarzt gecheckt würde. Die Ärztin war jedoch sehr zufrieden mit ihm und so konnten wir gegen 22:30 Uhr wieder nach Hause fahren.

Wir packten also wieder alles ins Auto, schnallten den Kleenen gut in der Babyschale fest, und da mein Mann in der Zwischenzeit immer noch nicht gelernt hatte, Auto zu fahren, setzte ich mich ans Steuer und 5 Minuten später waren wir tatsächlich daheim. Der stolze Papa trug das Baby über die Schwelle in die Wohnung und dort standen wir, erstmal ratlos, was wir denn nun machen sollten. Ich rief meine Hebamme an, hatte kurz zuvor noch schnell ein schlechtes Gewissen, da es ja doch recht spät war, doch als sie ran ging, hörte ich laute Stimmen und Musik im Hintergrund, und ich erzählte ihr von den Neuigkeiten. Wir verabredeten uns für den nächsten Tag und sie sprach uns Mut zu, dass wir es bis dahin schon packen würden. Es folgte noch ein schneller Anruf bei meinen Eltern und es reichten genau zwei Worte, um die Neuigkeiten zu überbringen: Hallo Opa 🙂

Da für uns alle der Tag sehr anstrengend war, sind wir direkt danach ins Bett, der Kleene hat sich noch schnell eine weitere Mahlzeit geholt und kurze Zeit später waren wir alle eingeschlafen und sind erst 8 Stunden später wieder wach geworden.

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Und hier noch das dazugehörige Zahlenwerk:

Geburtsdatum: 03.03.2009
Uhrzeit: 17:44 Uhr
Gewicht: 3330 g
Kopfumfang: 33 cm
Länge: 49 cm

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Und den Namen gibt es als kleines Rätsel 🙂

Das Kind wurde nach dem Sänger meiner Lieblingsband benannt, welche genauso alt ist wie ich, Baujahr ’77.
Den vollständigen Namen inklusive Zweitnamen haben wir 1:1 von einem Schriftsteller übernommen, der, neben ganz vielen anderen, so wunderbare Werke wie „The Merry Men and Other Tales and Fables“ oder „The Strange Case of Dr Jekyll and Mr Hyde“ geschaffen hat.

10 Kommentare zu “A Trip down Memory Lane

  1. mupfens sagt:

    Wow, selber Auto gefahren zur Entbindung. Und mir kamen fast die Tränen bei: „Wenn irgendwas mit ihm ist, wenn es Komplikationen gibt und es spezielle Versorgung braucht, dann solle er ihm nicht von der Seite weichen und gut auf es aufpassen.“

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    • xayriel sagt:

      Naja, es waren nur 1,5 km geradeaus, nur eine Ampel, es war mitten in der Nacht und die Wehen nicht sonderlich stark. Außerdem hat Autofahren was sehr beruhigendes für mich 🙂

      Mein Mann und ich fanden die vorherigen Absprachen sehr hilfreich. In der Situation selber hat man den Kopf so voll mit anderen Dingen und die Frau ist in dem Moment eh von einem anderen Planeten, da geht außer ja/nein/lass mich in Ruhe/du bist Schuld nicht viel 😀

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      • mupfens sagt:

        Ja, das stimmt. Ich hatte das Gefühl meine Intelligenz ist um mindestens 50 Punkte gefallen während der Geburt. Da ist ein verlässlicher Mann sehr hilfreich.

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  2. Reh sagt:

    seeeeeeeeeeehr schöner bericht 🙂 bitte um Wiederholung 😉

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    • xayriel sagt:

      Na, mal schauen, ob ich das genau so wieder hinkriege 😀

      Ich hab ja bei dem Bericht noch die ganzen lustigen Begebenheiten vergessen, die mir erst so nach und nach einfallen, wie bspw. die Aussage der Hebamme, dass das aber ein hübsches Baby sei. Worauf ich meinte, dass sie das doch bestimmt zu jedem Baby sagen, besonders im Beisein der Mutter. Und die Hebamme im Brustton der Überzeugung rief: Oh nein, es gibt unglaublich hässliche Babies.

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      • Reh sagt:

        die gibts TATSACHE 😀 und im Grunde sind so gaaaaanz frisch geschlüpfte doch furchtbar hässliche Gollums oder? 😀 Dank der Hormone liebt aber jeder sein Gollum bedingungslos. Interessante Evolution 😀

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        • xayriel sagt:

          Ich war auch froh, dass ich einen grob gereinigten Gollum auf die Brust gelegt bekommen habe, ohne Blut und Käseschmiere. Aber vermutlich wäre selbst das egal gewesen 🙂

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