… öffnet sich eine andere.
Es sei denn, man sitzt im Gefängnis, da sind die Aussichten dann eher trüb.
Oder wie ich gerne sage: Für irgendwas wird es schon gut sein.
Vor 11 Jahren nahm ich einen Job in meiner Heimatstadt an, um nach Jahren im imperialistischen Exil wenigstens wieder in meinem Heimatland arbeiten zu können. Ich war frisch verheiratet und hatte die Nase von Wochenendbeziehungen gründlich voll. Doch leider war die Anstellung nicht von Dauer, denn der Firma fiel nichts anderes ein, als mich als Consultant durch die Weltgeschichte zu schicken. Die Grundsituation war also die gleiche, nur dass ich dafür mehr Geld bekam.
Da dies zu den Hochzeiten meiner damals noch unbehandelten Depressionen war, bat ich darum, nach einem Jahr aus dem Arbeitsvertrag entlassen zu werden. Während des kurzen Intermezzo hatte ich aus Gewohnheit die mir besser bekannten Kollegen im Xing als Kontakte hinzugefügt.
Dann war ich erstmal eine ganze Weile mit mir beschäftigt, machte diverse Therapien, bekam das große Kind, fand einen Job und stieg wieder ins Arbeitsleben ein. Dass dies ein wenig turbulenter war, als ich es gerne gehabt hätte, ist hinlänglich bekannt.
Als ich meine letzte Stelle antrat, änderte ich auch auf Xing wie üblich meine Daten und fügte den neuen Arbeitgeber hinzu. Kurz darauf kontaktierte mich ein Kollege von damals und meinte, dass die Firma einen sehr dubiosen Ruf hätte und mit eher unlauteren Mitteln Geld verdienen würde. Ich horchte auf, forschte im Unternehmen nach und fand heraus, dass die „unlauteren“ Mittel das Geschäftsmodell war und sämtliche Kunden darüber Bescheid wussten.
Ich antwortete dem Kollegen entsprechend und vergaß ihn wie schon zuvor.
Mein nächstes Xing-Update rief wieder jenen Kollegen auf den Plan. Mit Begeisterung sah er, dass ich mich mit dem Thema Datenschutz, Informationssicherheit und ISO 27001 befasste. Er wollte mich für sein Unternehmen abwerben, ich hingegen wollte in diesem umfangreichen und recht unübersichtlichen Themengebiet Erfahrungen sammeln. Wenn wir mit der Zertifizierung durch wären, würde ich mich wieder melden, sagte ich ihm.
Anfang des Jahres, als die Situation unerträglich wurde, nahm zur Abwechslung ich Kontakt zum Kollegen auf und fragte, ob denn sein Angebot noch stehen würde. Kurz darauf trafen wir uns zu einem informellen Gespräch, plauderten über alte Zeiten, er stellte die Firma vor und meinte, dass ich mit meinem Profil ganz gut reinpassen würde.
Ich schöpfte Hoffnung, dass ich sehr bald schon nicht mehr in die alte Firma müsse, sondern mich in einer geordneten Umgebung diesem spannenden Thema widmen könnte.
Aber, natürlich, kam wenig später der Anruf des Kollegen, dass die Firma derzeit umstrukturiert würde (wie ich dieses Wort mittlerweile hasse) und man augenblicklich nicht abschätzen könne, wie lange der Umbau dauere und wie danach der Personalbedarf aussieht. Dennoch habe er mein Profil dem Geschäftsführer vorgelegt, bitte aber um Geduld, er würde sich wieder melden.
Während sich mein befristeter Vertrag dem Ende neigte, fragte ich vorsichtig nach, wie denn die Umbauarbeiten voran gingen. Es wurde nach wie vor gebaut. Ich machte gedanklich einen Haken an die ganze Sache und widmete mich intensiv dem Bewerbungen schreiben. Es gab diverse Angebote, seltsamerweise war die Stellenbörse des Jobcenters die beste Quelle, ich wurde zu vielen Vorstellungsgesprächen eingeladen und bekam aus diesen oder jenen Gründen eine Absage.
Dann kam die Horrorwoche, in der sich mein Opa am Sonnabend umbrachte, am Montag mein Großer auf dem Heimweg vom Hort von einem Junkie überfallen wurde, der ihm den Ranzen klauen wollte und in der ich am Dienstag die niederschmetternde Absage für die Traumstelle bekam. In dieses ganze Chaos hinein bekam ich eine WhatsApp-Nachricht von eben jenem Kollegen, dass der Umbau abgeschlossen und die Stelle, für die er mich im Auge hatte, jetzt von der Geschäftsführung frei gegeben worden sei. Aber vermutlich wäre er eh schon zu spät dran.
Als ob! Ich konnte aber in der ganzen Aufregung nur kurz zurückschreiben, dass meine Welt gerade im Chaos versinkt und ich mich in 2 Tagen melden würde, wenn ich halbwegs wieder geradeaus denken könnte. Und dass er noch nicht zu spät sei.
Am nächsten Tag kam erneut eine Nachricht, ob ich denn am nächsten Dienstag zwischen 10 und 14 Uhr Zeit hätte. Hatte ich, aber nur zwischen 10 und 12 Uhr, da ich um 14 Uhr ein Vorstellungsgespräch hätte, was ich natürlich nicht sagte.
Daraufhin wurde ich für 11 Uhr zu einem Gespräch mit dem Geschäftsführer und Kollegen eingeladen.
Der Dienstag kam, ich packte es gerade noch so pünktlich zum Termin und wurde direkt vom Geschäftsführer in Empfang genommen. Von meinem Kollegen keine Spur, ich war also auf mich allein gestellt. Was aber gar nicht schlimm war, da mein Gegenüber ein sehr angenehmer Gesprächspartner war, mit dem ich über eine Stunde lang plauderte, über meinen Werdegang, die Irrungen und Wirrungen in meinem Lebenslauf, die Herausforderungen auf einem sich ständig wandelnden Markt und sogar privaten Kram.
Die Chemie stimmte auf Anhieb, wie man so schön sagt. Das Beste war allerdings, dass mein kleinteiliger Lebenslauf mal nicht als Nachteil, sondern als absoluter Vorteil angesehen wurde. Der Geschäftsführer sah mich in der Position einer über allen Abteilungen stehenden Stabsstelle, die sich alle Prozesse und Abläufe im Unternehmen anschauen und diese ordnen würde. Zwar seien seine Mitarbeiter hochmotiviert und super qualifiziert, doch fehle ihnen der Blick für das große Ganze. Auch sei die Vernetzung zwischen den einzelnen Abteilungen noch ausbaufähig, denn es sei häufiger so, dass für kurze Zeit in einer Abteilung der absolute Notstand herrscht, während sich nebenan die Mitarbeiter gerade langweilen. Da wäre es doch super praktisch, wenn man die Auslastung gleichmäßiger auf alle Mitarbeiter verteilen könnte, aber das ginge eben nur, wenn jemand den Überblick über alles hätte.
Und genau da sähe er mich.
Und ich mich irgendwie auch.
Vom Klang her wäre das genau was für mich. Ich bin in dem Sinne kein Spezialist, sondern eher Generalist. Ich kann vieles gut, aber nichts sehr gut. Ich mag das themenübergreifende Arbeiten und ich liebe es, zu abstrahieren und auch zu improvisieren. Dinge, die auf den ersten Blick nicht zusammengehören, miteinander zu kombinieren.
Leider war das Gespräch zu schnell zu Ende, da der Geschäftsführer bereits den nächsten Termin hatte. Er würde sich aber am Montag melden und mir dann auch genau sagen können, wie die Stelle heißt und mit welchem Gehalt ich rechnen könnte. Vielleicht würde es auch eine etwas andere Stellenbeschreibung als die, über die wir uns unterhalten hätten, er müsse darüber noch nachdenken. Auf jeden Fall würde ich aber sehr gut passen.
Nachtigall, ick hör dir trapsen.
Klar war ich super erfreut, das alles zu hören, aber gefeiert wird erst, wenn die dicke Dame singt.
Mein Kollege erkundigte sich noch kurz bei mir, wie es gelaufen ist und zeigte sich ebenfalls hoch erfreut.
Ich ging heim und bereitete mich auf das nächste Vorstellungsgespräch vor, welches ich meiner Meinung nach völlig verkackte, mit totalem Blackout und Gestammel über ein Thema, in dem ich sonst sehr sicher bin. Abends war noch Weihnachtsbasteln in der Schule, wo ich mich mit meiner seit 2 Wochen andauernden, richtig fiesen Erkältung hinschleppte. Für Euphorie blieb da kein Platz mehr.
Am Donnerstag bekam ich zuerst einen Anruf, dass ein Vorstellungs-/Sondierungsgespräch mittelprächtig erfolgreich war und ich für eine, aber nicht meine gewünschte, Stelle in Frage käme. Wenn ich Interesse hätte, sollte ich mich melden und ich würde erneut eingeladen.
Kurz danach rief mich meine Personalvermittlerin an und meinte, das Gespräch, bei dem ich dachte, ich hätte es verkorkst, sei erfolgreich gewesen und ich würde am Mittwoch zu einem zweiten Gespräch eingeladen.
Ich sagte zu allem Ja und Amen, schließlich war meine Unterschrift unter keinen Arbeitsvertrag gekritzelt. Und es gibt ja immer noch die berühmten kotzenden Gäule in der näheren Umgebung von legalen Drogenhändlern.
Der Montag kam und ging, ohne dass ich eine Nachricht erhalten hatte. Ich machte mir Sorgen. Am Dienstag fragte ich bei meinem Kollegen nach, ob er mal beim Geschäftsführer vorsichtig nachhaken könne, was denn nun sei und ich bekam als Antwort, dass der Entscheider krank wäre. Also weiter warten. Am Mittwoch hakte ich nochmals nach und bekam als Antwort: „Vertragserstellung ist im Innendienst angeschoben.“
Ein leises Jubeln meinerseits.
Am Wochenende darauf bekam ich per Email den Vertragsentwurf zugeschickt. Sah alles soweit richtig gut aus. Das Gehalt war ein klein wenig geringer als gewünscht, aber immer noch mehr, als ich je zuvor irgendwo verdient hatte. Leider waren die Urlaubstage nur mit 25 angegeben. Schon ein bissl mickrig. Ich konsultierte meine Freunde, wie ich es am cleversten anstellen sollte und sie meinten, ich sollte schlicht nach mehr fragen.
Was ich dann auch tat, mit dem Hinweis, dass meine letzten Verträge alle mindestens 28 Tage Urlaub hatten. Ist nur so halb geflunkert, denn beim Radio hatte ich 30, bei der letzten Firma 26, gibt im Durchschnitt 28 😉
Knapp eine Stunde später kam per Email die Antwort, dass die Urlaubstage im Vertrag auf 28 geändert würden und der Vertrag sich demnächst per Post zu mir auf dem Weg befände.
Uff, das war einfacher als gedacht.
So wartete ich nun auch den Arbeitsvertrag, schrieb weiter Bewerbungen und sah nebenbei eine Sendung, bei der erklärt wurden, dass Pferde aufgrund ihrer Anatomie eher seltenst kotzen würden, es aber auch kein nie dagewesenes Ereignis wäre.
Drei Tage vor Weihnachten kam der Vertrag. Zwei Tage vor Weihnachten meldete ich mich der Agentur für Arbeit ab. An Silvester unterschrieb ich den Vertrag.
Und am Donnerstag war mein erster Arbeitstag!
Gut Ding will Weile haben. Jetzt kann ich nur hoffen, dass es wirklich ein gutes Ding ist.
Ich werde berichten 🙂