The Day The Music Died

Duschen ist eine wunderliche Sache. Es wäscht nicht nur den Dreck von der Haut, sondern reinigt immer auch ein wenig die Seele und manchmal bricht es den verkrusteten Schmodder um lang vergessen geglaubte Erinnerungen auf. Als heute morgen das heiße Wasser in kleinen Rinnsalen gen Abfluss strömte, musste ich an eine einschneidende Szene von vor 23 Jahren denken.

Es war im Musikunterricht in der 9. oder 10. Klasse. Ich liebte das Fach Musik, ich war mit Begeisterung dabei, ich sang eifrig alle Lieder und lauschte gebannt den meist von Platte abgespielten Musikstücken. Meine Eltern hatten es nicht so mit Klassik und die viel zu seltenen Stunden in der Schule öffneten für mich jedes Mal neue Fenster in unbekannte Welten. Von den wenigen im Unterricht vermittelten Anhaltspunkten brachte ich mir selber das Notenlesen bei, so dass ich Liederbücher benutzen und danach singen konnte.

Damals gab es noch kein Internet, kein Youtube, keine Wikipedia. Wir hatten eine übersichtliche Schallplattensammlung daheim, die zu 40% aus Heavy Metal Scheiben von Uriah Heep, Black Sabbath oder Deep Purple und zu 50% aus Schlageralben von Roland Kaiser, Udo Jürgens oder Andy Borg bestanden. Die restlichen 10% waren Märchenplatten. Mein Papa hatte noch ein Tonbandgerät und viele Bänder dazu, aber die Qualität war doch eher bescheiden, das Einlegen kompliziert und das Finden eines bestimmten Liedes fast unmöglich, da im Inhaltsverzeichnis der selbst aufgenommenen Bänder die Zeitangaben fehlten. Erst Anfang der 1990er Jahre hielten bei uns zuhause Kassetten und CDs Einzug. Meine Eltern hatten nie gelernt, ein Instrument zu spielen und standen daher meinem Wunsch wenig verständnisvoll gegenüber.

Aber all dies war kein Problem, es gab Radio, später gab es MTV und ich hatte meine Stimme. Ich trällerte gern und viel und vor allem schief, wie mir immer wieder von allen Seiten gesagt wurde. Allerdings gab es auch niemanden, der mir Tipps gab, wie ich denn weniger falsch singen könnte. Der einfachste ist sicherlich, sich in ein Ohr einen Finger zu stecken, mir war es lange Zeit ein Mysterium, warum das beispielsweise Chorsänger immer machten.

Was mir jedoch tatsächlich und nachhaltig die Liebe zur Musik vergällt hat, war die Musiklehrerin in besagter 9. und 10. Klasse. Wer dort keine engelsgleiche Stimme hatte, nicht im Chor sang und auch kein Instrument spielte, hatte sich gefälligst ganz hinten anzustellen und vor allen Dingen die Klappe zu halten. Sie sagte dies nicht mit so offenen Worten, aber wie sie die Worte zu den jeweiligen Schülern sagte, war Offenbarung genug. Also stand ich in der musikalischen Nahrungskette ganz unten.

Eines Tages nun ging es darum, auf eine bekannte Melodie, ich glaube es war „Lady in Black“ von Uriah Heep, einen deutschen Text zu singen. An einer Stelle passten jedoch Text und Melodie nicht ganz aufeinander, es war zu viel Text für zu wenig Melodie. Da ich nun Noten lesen konnte, sah ich, dass an der betreffenden Stelle eine halbe Note für ein zweisilbiges Wort stand. Meine einfache Rechnung war nun, auf die halbe Note die zwei Silben zu singen, was dann auch den Takt nicht stören würde. Ich machte eben jenen Vorschlag, formulierte es eben so wie es ein Musiklaie tut und wurde darauf hin von der Lehrerin angeblafft, dass dies überhaupt nicht ginge, man kann nicht einfach auf eine Note zwei Silben singen und überhaupt.

Letztendlich ging es irgendwie doch, nur hat das Verfahren einen speziellen Namen, den ich nicht kannte und mit dem man aus der halben zwei Viertelnoten macht. Das Lied wurde entsprechend umgebaut, die Lehrerin und ihre Lieblinge feierten sich für ihe Kreativität und ich war heilfroh, als ich nach der 10. Klasse endlich Musik als Schulfach abwählen konnte.

Schade, dass eine einzelne bornierte Person so einen Schaden anrichten kann 😦

© Foto von Flickr/Dennis Skley „Music makes me happy 320/365“, (CC BY-ND 2.0)

Kochkurs

An manchen Tagen ist es wahrscheinlich besser, man hört auf sein Gefühl und bleibt einfach im Bett liegen. Man weiß direkt nach dem Aufwachen, dass aus diesem Tag nichts gutes wird.

Es fing ja alles ganz harmlos an, das Kind hat sich relativ quengelfrei zur Schule bringen lassen, der Bus war einigermassen pünktlich und ich hatte sogar mein Pausenbrot dabei. Doch direkt nach dem Frühstück ging es los. Der große Boss (Chef meines Chefs) mockierte einen kleinen Tippfehler in der Tagesordnung für das heutige interne Meeting (Chef + Boss). Gut, wenn es ihn denn glücklich macht, hätte man aber ruhig ein wenig freundlicher formulieren können.

Geh ich runter zu unseren ITlern, hatte ein Angebot für eine Schulung dabei, die gerade sehr preisgünstig offeriert wird und vom Titel her passen könnte. Leider passte sie doch nicht, da zwischen verwendeter Programmversion und angebotener Schulung zwei komplette Versionen liegen und somit die Schulung nichts nützt. Nahm ich zur Kenntnis und meinte, wir hätten noch mehr Schulungsangebote bekommen, die könnten wir in der regelmäßig Montags stattfindenden Besprechung durchgehen, da diese nicht wie das Angebot zeitlich begrenzt sind. Da motzt mich der eine Kollege voll, was das soll, sie hätten noch nie eine Schulung bekommen, das wird jetzt wieder so sein und ich solle mir doch die Luft sparen. Da ich grundsätzlich seinen Frust verstehe, erklärte ich, dass wir ein kleines Budget für Schulungen haben und wir das jetzt verwenden könnten. Blafft der Kollege weiter, dass er das Wort Budget nicht mehr hören kann und ich solle ja abziehen mit den Angeboten und er würde das alles erst glauben, wenn er in einer Schulung säße.

Ja, wie denn du Horst, wenn du nicht mal darüber sprechen willst?!?

Das habe ich natürlich nur gedacht, trotzdem war mein Puls auf 180.
Zwischenzeitlich hat sich der Boss wieder gemeldet, ein bestimmtes Dokument müsse nochmal bis 13:30 Uhr ausgedruckt werden. Derjenige, der das Dokument erstellt hat, ist aber gerade bis nach 13 Uhr in einer Besprechung und das Dokument besteht aus 5 oder 6 Teilen von 20 möglichen, deren Anordnung ich nicht kenne und somit ohne den Kollegen nicht ausdrucken kann. Ich schreibe eine Mail mit Dringlichkeitsvermerk und genauen Anweisungen, was mit dem Dokument geschehen soll, biete meine Hilfe an, drücke innerlich die Daumen und hoffe aufs Beste.

Kurz vorm Mittag kommt ein Anruf aus der IT (anderer Kollege), dass bei einem bestimmten Server eine Festplatte defekt sei, sie gerne den Server runterfahren und die Festplatte tauschen wollen, aber vorher wissen möchten, wer da gerade drauf arbeitet und wann der Neustart denn unkritisch sei. Cheffe, der sowas auf Anhieb weiß, steckt in der nächsten Besprechung fest, also frage ich mich bei allen möglichen Leuten durch, bis ich endlich jemanden kriege, der den Server wenigstens kennt. Zum Glück stellt sich heraus, dass das Ganze nicht kritisch ist, der Server nicht permanent genutzt wird und daher gefahrlos heruntergefahren werden kann.

Puhh, Katastrophe erstmal abgewendet.

Seit vielen Wochen begleitet mich ein Thema, bei dem eine bestimmte Software auf die aktuelle Version gebracht werden soll. Weil dieses Update aber Geld kostet, benötigen wir dafür das OK des Bosses. Seit ebenso vielen Wochen rennt mein Chef dem Boss hinterher, um endlich dieses OK zu kriegen, aber in schöner Regelmäßgkeit platzen diese Termine oder werden von aktuellen Entwicklungen und Fusionen ausgebremst oder durch beinahe Katastrophen (s.o.) in den Hintergrund gedrängt. Die dazugehörgen Tickets liegen aber bei mir und ich verschiebe in ebenso schöner Regelmäßigkeit die Fälligkeiten, jeweils mit entsprechender Begründung. Da steht dann eben „Entscheidung von Big Boss steht aus, Fälligkeit wird angepasst.“

So einen Eintrag gab es heute erneut, weil das Thema – mal wieder – verschoben wurde. Da poltert dann eine Abteilungsleiterin los, dass das ja wohl nicht anginge, dauernd die Termine zu verschieben und sie würde das Thema jetzt eskalieren und überhaupt. Ja ne, is klar, weil du jetzt tobst, wird Big Boss hüpfen o.O

Zu allem Überfluss lese ich gerade im lokalen Nachrichtenblatt, dass morgen bei uns in der Stadt gestreikt wird und unser Hort dabei ist.

Für betroffene Kitas, Horte und Betreuungsangebote ist keine Notbetreuung vorgesehen. Die Eltern seien informiert worden, heißt es von Seiten der Stadt.

Ha! Als ob!

Wir wurden nicht informiert, mein Mann hatte genauso wenig Ahnung davon wie ich. Vermutlich erfolgt die Informierung, wenn wir das Kind gegen 17 Uhr aus dem Hort abholen, so dass uns wahnsinnig viel Zeit bleibt, die morgige Kinderbetreuung mit unseren Arbeitgebern zu klären.

Ehrlich, ich koche gerade und zwar so richtig!

Mir fehlt auch ein wenig das Verständnis für die Streiks, da ich die geforderten 6% mehr Lohn tatsächlich ein wenig unverschämt finde, die angebotenen 3% hingegen angemessen. Zumal es erst letztes Jahr das ganze Theater und eine ordentliche Erhöhung gab, Stichwort Verhältnismäßigkeit.

Ja, Streiks sollen weh tun, aber so ein klitzekleines bisschen Reaktionszeit wären auch schön und würden definitiv die Solidarität in der arbeitenden Bevölkerung, die auf diese Betreuung angewiesen ist, erhöhen. Wegen verspätet geleerten Mülltonnen verliere ich nämlich im Zweifelsfall nicht meinen Job!

Jetzt warte ich auf meinen Chef, denn der ist nämlich seit einer Stunde verschwunden, aber ich hätte das Thema schon gern geklärt, bevor ich heute in den Feierabend entfleuche …

© Foto von Flickr/Annie Roi „Some fire“, (CC BY 2.0)

Das war jetzt zu einfach!

Die letzten Monate waren echt nervenaufreibend für mich und dies hatte unter Anderem mit dem Einschlafverhalten meiner Süßen zu tun.

Bislang war es so, dass sie, wenn es Zeit zum ins Bett gehen war, gemütlich auf dem Sofa einschlafgestillt wurde. Das klappe zuverlässig gut, nach 10 Minuten war sie eingeschlafen, nach weiteren 10 Minuten konnten wir sie problemlos ins Bett legen, wo sie seelenruhig weiter schlief. Ich wußte, ich hab um spätestens 20:30 Uhr Feierabend und konnte den Abend entsprechend planen. Natürlich gab es auch da Ausnahmen, aber es waren tatsächlich Ausnahmen, die vielleicht ein- oder zweimal im Monat vorkamen.

Seit Anfang dieses Jahres war es aber anders. Das mit dem Stillen klappte zwar immer noch gut, mein Mädchen schlief auch dabei ein, doch sobald ich sie ins Bett legen wollte, wurde sie wach und weinte los. Dabei war es völlig egal, wie lange ich nach dem Einschlafen wartete oder ob das Kindlein bereits tief und fest schlief und schnarchte, sie wurde jedes Mal wach. Auch wenn ich sie sofort wieder aus dem Bett nahm, regte sie sich dermassen auf, dass es eine gute Stunde brauchte, bis sie sich wieder beruhigt hatte und wir den nächsten Versuch starten konnten. Nicht selten endete es damit, dass ich dann direkt mit ihr zusammen ins Bett gegangen bin, so dass ich Null Feierabend hatte. Ein- oder zweimal mag das ja noch angehen, aber nicht jeden Tag über mehrere Wochen. Entsprechend frustriert war ich und oft drückte ich das schreiende Kind meinem Mann in die Hand, um wenigstens noch Wäsche aufhängen oder Behördenkram erledigen zu können.

Wir waren einigermassen ratlos, wie wir weiter verfahren sollten und ich versuchte mich daran zu erinnern, wie wir das beim Großen gemacht hatten. Am Anfang war auch das Einschlafstillen und irgendwann haben wir ihn einfach so ins Bett gelegt, vorher eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen und das war’s. An größere oder langanhaltende Dramen konnte ich mich nicht erinnern.

Also versuchten wir das mit der Süßen. Das Stillen vorm Schlafen gehen wie gehabt. Ich könnte da zwar auch drauf verzichten, aber ich habe den Eindruck, die Kleene braucht diese Extraportion ganz engen Körperkontakts, um vom Tag runter zu kommen, weshalb ich ihr das gebe und wirklich stören tut es mich auch nicht. Ich vermute zudem, dass sich das in der nächsten Zeit von selbst erledigt.
Beim Nuckeln schlief sie aber nicht mehr ein und so legten wir sie einfach wach ins Bett. Auf dem Weg dorthin erklärte ich ihr, dass es schon ganz spät sei, ihr Bruder jetzt auch ins Bett ginge und es schon dunkel wird. So dunkel, dass wir im Schlafzimmer sogar das Licht anmachen müssen. Dann legte ich sie ins Bett, sagte meinen Gute-Nacht-Gruß („Gute Nacht, schlaf gut, träum was Süßes, ich liebe dich!“), knipse das Licht aus und ging aus dem Zimmer.

Anfangs ließen wir die Tür auf und im Raum davor das Licht an, aber das brachte gar nichts, die Kleene jammerte und wollte unbedingt aus dem Bett raus. Also versuchten wir es mit geschlossener Tür. Sie jammerte zwar immer noch, aber ich hatte den Eindruck, dass es mehr ein Protest- als ein Unglücksjammern ist. Wir warteten ab und wenn sie länger als 3 Minuten jammerte, holten wir sie wieder aus dem Bett. Dann kuschelten wir ausgiebigst und eine Viertelstunde später starteten wir den nächsten Versuch. Das mussten wir allerdings nur zweimal machen, die anderen Male beruhigte sie sich nach einer Minute.

Seit einer Woche geht es fast ganz ohne Jammern, nur ein heftiges „Neeeein“, wenn ich sage, dass es ins Bett geht und maximal ein lautes Klagen beim ins Bett legen. Meist dreht sie sich einfach um, grabscht nach ihrem Teddy und schläft ein. Einfach so.

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Ich hätte nicht erwartet, dass es sooooo einfach geht. Daumen drücken, dass es so bleibt!

Chop Suey

Ich hatte imer schon viele und intensive Träume, aber in letzter Zeit habe ich das Gefühl, dass die Träume an Intensität und Absurdität nochmals heftig zugenommen haben. Diese Träume wirken noch weit bis in den Tag hinein, der heutige ganz besonders, weswegen ich ihn jetzt aufschreibe.

Es beginnt an einem Sportplatz. Von dem Platz habe ich früher bereits geträumt, er ist nicht real existierend, soweit ich weiß, sondern setzt sich aus verschiedenen Plätzen zusammen. Es hat sich eine größere Gruppe Menschen verabredet. Was die ursprüngliche Intention der Verabredung war, weiß ich nicht mehr, aber ich bin pünktlich da, lächle erwartungsfroh in die Runde. Es wird beschlossen, dass wir alle in die nahe gelegene Schwimmhalle gehen.

Dort angekommen ziere ich mich, ich mag mich nicht im Badeanzug zeigen. Ich beschliesse, ganz schnell ins Wasser zu gehen, denn dort sieht man nur meinen Kopf und kann nicht mehr über die Cellulite lästern. Ich plansche ein wenig am Beckenrand, während die große Masse wie wild durchs Wasser tobt.

Spontan wechseln wir alle in ein anderes Becken mit Sprungturm, wo ich den anderen vom Rand aus zuschaue. Ich würde auch gern springen, aber erstens müsste ich mich dann wieder zeigen, sehr exponiert dieses Mal sogar, und zweitens sind mir die Springer zu wild. In endloser, dicht gedrängter Abfolge stürzen sie sich wild durcheinander von den Plattformen, schauen nicht mal, ob im Wasser genügend Platz ist.

Die Szene verschwimmt und plötzlich stehen gedeckte Tische wie in einem Restaurant neben dem Sprungbecken. Links dahinter geht es in die Umkleide, die mit den Sachen der Beteiligten vollgestopft ist. Seltsamerweise gibt es statt Sitzbänken nur Toilettenbecken, alle nebeneinander, ohne Trennwände oder gar Türen. Ich möchte mich umziehen und auch gerne aufs Klo, aber mir sind das zu viele Menschen. In einem günstigen Moment, als tatsächlich niemand in der Umkleide ist, verriegel ich die Tür, was seltsamerweise geht, erleichter mich und ziehe mich um, während die anderen von draußen wild an die Tür klopfen, teilweise sogar versuchen, die Tür aufzubrechen.

Als ich fertig bin, öffne ich die Tür und mir purzeln mehrere Menschen entgegen, zu perplex um noch wütend zu sein. Mit zwei anderen, einer Frau und einem Mann, setze ich mich an einen der Tische. Die beiden sind mir nicht bekannt, scheinen aber vom Gefühl her Freunde zu sein. Wir schauen in die Karte, die vornehmlich fernöstliche Gerichte auflistet, doch ich kann mich für keines der Gerichte entscheiden.

Der asiatisch aussehende Kellner kommt und nimmt die Bestellung der anderen beiden entgegen, während ich verlegen auf die rot-weiß karierte Tischdecke starre und darum bitte, noch ein wenig nachdenken zu dürfen. Der Kellner nickt und geht.

Zehn Minuten später bringt er drei Gerichte, die zwei bestellten und eines für mich, obwohl ich mich immer noch nicht entschieden habe. Ich protestiere lautstark auf Englisch, worüber ich mich kurz wundere, denn bei der Bestellung haben alle Deutsch geredet. Der Kellner redet ebenfalls Englisch, also wird es schon so passen. Ich bestelle dann das gleiche Gericht wie die Freundin.

Während ich auf mein Essen warte, steht das dritte Gericht noch vor mir und ich esse davon. Als der Teller halb leer ist, fällt mir auf, dass ich nur Soße auf dem Teller habe, der Reis oder sonstige feste Bestandteile fehlen. Als der Kellner mit meinem Essen kommt, ist es das Falsche, worüber ich mich beschwere, ebenso wie darüber, dass beim ersten Versuch nur Soße geliefert wurde, wieder alles auf Englisch. Dabei mache ich einen Grammatikfehler, den alle inklusive mir bemerken und wir kurz betreten schweigen. Der Kellner erklärt auf deutsch, dass er mir nun mein bestelltes Gericht bringen würde. Wieder warte ich, wieder esse, diesmal vom 2. Gericht und stelle erneut fest, dass nur die Soße auf dem Teller ist, diesmal allerdings mit Hühnchenfleisch.
Mittlerweile bin ich pappsatt und mag nicht mehr auf mein eigentliches Essen warten.

Die Szene verschwimmt erneut. Diesmal stehe ich auf dem Balkon meiner Eltern und schaue in den Garten hinterm Haus. Es rückt eine Baumannschaft an und planiert die eine Hälfte des Gartens. Es werden dicke Holzbohlen auf dem Boden verlegt. Ich drehe mich um, um dies meinen Eltern zu sagen und als ich wieder in den Garten schaue, steht da ein herrlicher Pavillon aus Holz und Glas, sehr hell und innen mit bunten Lichtern geschmückt. Dieser grellbunte Eindruck wird allerlei im Inneren verteilten Schnickschnall verstärkt. Neugierig wie ich bin, möchte ich mir das aus der Nähe anschauen und betrete den Pavillon.

Doch die Szene ändert sich schlagartig, der Pavillon ist verschwunden, dafür stürzt eine Freundin von hinten auf mich zu, verliert das Gleichgewicht. Ich kann sie gerade so noch auffangen und verhindern, dass sie in scharfkantigen Stacheldraht fällt, der vor dem Zaun hinter mir liegt. Ich stauche die Freundin zusammen, wie sie so verrückt sein kann und dass sie hätte sterben können und was sie sich dabei gedacht hat …

Der Wecker klingelt.

Selbst jetzt, einen halben Tag später blitzen immer wieder Bilder aus dem Traum vor meinen Augen auf, die Karos der Tischdecken, der Stacheldraht, die Umkleide. Ich versuche die tieferliegende Bedeutung des Traums zu ergründen, aber so recht erschließt sich mir keine Erklärung.

Mal schauen, was der nächste Traum so bringt.

©Foto von Flickr/Dennis Dixon „Guey Lon Chop Suey“, (CC BY-NC-ND 2.0)

 

 

Jammerbolz

Dass ich so meine Schwierigkeiten mit unserem großen Kind habe, hatte ich bereits an anderer Stelle geschrieben. Ebenso, dass ich mit dieser Situation unzufrieden bin und daran gerne etwas ändern möchte. Leider hat sich nach 3 Monaten nicht allzu viel geändert, mitunter habe ich sogar das Gefühl, dass es schlimmer wird.

Da die Kleene heute wieder eine sehr unruhige Nacht hatte, mich um halb fünf Uhr früh weckte, um aus dem Kinderbettchen genommen zu werden, nur um dann fröhlich schnarchend mit maximalem Platzbedarf neben mir weiter zu schlafen, hatte ich viel Zeit zum Nachdenken und nutzte dies. Auch weil das Wochenende insgesamt echt nervenaufreibend war. Zudem hatte der Große in einem Freundebuch auf die Frage, was ihn am meisten nervt „meine Eltern“ geantwortet. Mein Mann war richtig stinkig, als er das las, ich fand die Antwort nur natürlich und ehrlich.

Jedenfalls konne ich beim Nachdenken zwei Hauptursachen ausmachen, von denen ich denke, dass sie das Miteinander mit dem Großen so schwierig machen.

Der erste Punkt ist sein Jammern. In seinem ersten Lebensjahr war der Rabauke echt genügsam. Er schaute fröhlich in der Gegend umher, begrabschte die Spielsachen in seiner Reichweite und freute sich seines Daseins. Mit der Mobilität jedoch setzte das Jammern ein. Wenn er sich nur das kleinste bisschen den Kopf anstieß oder mit dem Fuss irgendwo dagegen trat, setzte sofort ein riesiges Gebrüll ein und er konnte sich erst Minuten später wieder beruhigen. Und ich meine jetzt nicht dieses volle Kanne gegen die Tischkante rennen, sondern beim Vorbeugen mit der Nasenspitze die Tischplatte berühren oder ähnliche Kleinigkeiten. Er wurde getröstet und irgendwann ging es dann weiter. Das steigerte sich im Laufe der Zeit jedoch zu völlig kontaktfreiem Jammern.
Irgendetwas gelang nicht so, wie er es sich vorstellte, also wurde gejammert. Dieses nervige Knatschen in hoher Frequenz. Und jeder noch so winzige Anlass wurde zum Jammern genutzt. Beim Laufen auf die Ritze zwischen zwei Gehwegplatten getreten. Zuerst den linken statt des rechten Schuhs angezogen. Den Apfel nicht richtig geschnitten. So viel oder zu wenig Käse auf den Nudeln. Das Plüschtier im Bett an der falschen Stelle. All den Dingen war gemein, dass es nicht vorher absehbar war, wann das „Falsche“ gemacht wurde, so dass das Jammern immer unvorbereitet kam.

Und das Jammern raubt mir sofort jeglichen Nerv. Mein Puls geht von normal auf 180 innerhalb von einer Sekunde. Ich habe überlegt, warum dieses Jammern eine solch verheerende Wirkung auf mich hat und ich denke, weil es völlig konträr zu meinem Naturell ist. Beim Schreiben lernen, wo es ganz normal ist, dass das nicht auf Anhieb perfekt klappt, malte der Große eine Zahl etwas über die Schreiblinie hinaus und fing sofort an zu jammern. Niemand hatte mit ihm geschimpft, ganz im Gegenteil, ich ermutigte ihn, es weiter zu versuchen, denn nur wenn man übt, kann man auch besser werden. Es nützte nichts, die nächste Zahl war wieder über die Linie gerutscht und außerdem noch nach rechts gekippt. Erneutes, noch lauteres Jammern. Jegliches Zureden, jegliches Motivieren halfen nichts – Jammern, Jammern, Jammern.
Wo ich mich hinsetzte und probiere, bis ich endlich den Dreh raushabe, hört der Junge beim ersten Hindernis sofort auf, gibt innerlich auch auf und jammert.
Seit einiger Zeit trainiere ich mit ihm Fußball, vor allem Technik. In zwei Wochen ist wieder Kaderschmiede beim Lieblingsverein und wir hoffen, dass er dazu eingeladen wird und zeigen kann, was er drauf hat. Zur Vorbereitung hat der Verein Videos von früheren Sichtungen ins Netz gestellt, auf denen man sehen kann, was wie getestet werden soll. Ich versuche nun, ihn zielgerichtet darauf vorzubereiten, was auch beinhaltet, dass er Sachen machen muss, die ihm nicht so liegen. Bpsw. mit links dribbeln. Total doof, weil er das nicht kann. Also Jammern. Ich erkläre geduldig, warum es wichtig ist, mit beiden Füßen möglichst gleich gut dribbeln zu können. Ich mache ihm sogar vor, dass er mit Beidfüßigkeit schneller ist. Er versucht es, stolpert, jammert, bricht den Versuch ab. Nach 5 Minuten hab ich keine Lust mehr, zumal das alles bei uns im Innenhof stattfindet, wo uns sämtliche Bewohner der Wohnanlage zuschauen können, wie ich mich zum Horst mache und das Kind lautstark jammert.
Selbst Erklärungen, dass sein Idol Lewandowski die meiste Zeit Dinge übt, die er nicht so gut kann oder die ihm nicht so viel Spaß machen, motivieren nicht mehr. Es wird gejammert, gejammert, gejammert.
Von den bisherigen 8 Trainings haben wir nur eines bis zum Ende durchgezogen, die anderen wurden wegen Jammerns vorzeitig eingestellt.

Woher dieses Verhalten kommt, weiß ich nicht, denn sowohl sein Papa als auch ich leben ihm ein anderes Verhalten vor. Wir geben nicht sofort auf, wir jammern nicht sofort. Sicher ärgern wir uns, wenn etwas nicht klappt, aber wir suchen auch Mittel und Wege, damit es trotzdem gelingt. Mir fehlt auch komplett das Verständnis dafür, denn Jammern ändert an der Situation genau nichts, sie wird nicht besser oder leichter. Maximal vermeidet man sie, aber dadurch landet weder die nächste Zahl ordentlich auf der Linie noch wird das Dribbeln mit links besser.

Der zweite Punkt ist das gesamte Thema Hören. Ich selbst halte mich für einen guten Zuhörer. Ich folge mit Interesse, wenn mir jemand etwas erzählt und merke mir auch das meiste. Hat den Nachteil, dass ich schnell gelangweilt bin, wenn mir jemand etwas doppelt erzählt, aber das ist dann mein Problem.
Der Große wiederum hört nur selten zu. Er interessiert sich für viele Dinge und stellt auch viele Fragen, die wir dann nach besten Wissen und Gewissen beantworten, aber er hört nicht zu. Im Zweifelsfall stellt er genau die gleiche Frage 5 Minuten später. Oder man erklärt ausführlich etwas und er tut es entweder als falsch ab – er weiß es eh besser – oder er erzählt, dass es auch ganz anders sein kann und erfindet eine völlig verrückte oder unmögliche Alternative.
Ich weiß, dass das einen wunden Punkt bei mir berührt. Zu lange baute sich mein Lebenssinn, mein Selbstbild darauf auf, dass ich Dinge (besser-)wußte. Wenn also der Große jetzt kommt und mir mein tatsächliches Wissen abspricht, dann rüttelt das immer ordentlich an den Grundfesten meines Selbstverständnisses. Doch da kann ich ansetzen und an mir arbeiten, löst aber nicht das Problem des Nichtzuhörens.
Es ärgert mich total, wenn ich mir Zeit nehme, wenn ich mir Gedanken um eine kindgerechte Erklärung mache, er mir aber schon beim zweiten Satz nicht mehr zuhört. Selbst wenn ich ihn darauf hinweise, dass mich das ärgert und er mir doch bitte zuhören möge, wenn er denn etwas wissen möchte, ist im zweiten Anlauf nach dem 3. Satz Schluss.

Ganz schlimm wird es, wenn es um Anweisungen geht. Seit Jahr und Tag gibt es bei uns die Regel, dass unser Sofa kein Klettergerüst und kein Trampolin ist. Wenn er sich derart austoben will, kann er das gerne auf seiner eigenen Couch machen. Genauso lange, wie es diese Regel gibt, wird sie gebrochen. Wir ermahnen ihn, 5 Sekunden später hüpft er mit Anlauf aufs Sofa. Wir erteilen daraufhin Sofaverbot, 10 Sekunden später hüpft er wieder drauf. Wir ticken aus.
Oder wir bitten ihn, etwas zu tun oder zu lassen. Wir bitten ihn zweimal, dreimal, ohne jegliche Reaktion. Erst wenn wir brüllen, werden wir gehört, dabei hat das Kind sehr gute Ohren. Es ist dabei auch egal, ob wir fragen, ob er ein Eis möchte oder dass er uns beim Tischdecken helfen soll.
Auch negative Erfahrungen wirken in keinster Form lehrreich. Wir reden uns den Mund fusslig, dass er seine Schwester in Ruhe lassen soll, denn wenn er mit ihr tobt, ist spätestens 10 Sekunden später das ganz große Drama da und beide Kinder heulen. JEDES MAL! Deswegen beten wir die Aufforderung mantraartig ganze Nachmittage herunter, könnten das aber auch der Wand sagen.

Beide Verhaltensformen lassen mich regelmäßig austicken. Ganz egal, wie oft ich mir vornehme, gelassener zu sein und nicht mehr zu brüllen, spätestens nach 10 Minuten ist der gute Vorsatz passé. Ich habe keine Ahnung, was ich dagegen unternehmen kann und bin mittlerweile so verzweifelt, dass ich überlege, den Schulpsychologen deswegen zu kontaktieren. Denn an sich habe ich jetzt schon keinerlei Nerven mehr für das Verhalten und lebe quasi nur noch für den Feierabend, wenn das Kind endlich im Bett ist.

So sollte Familienleben sicherlich nicht aussehen 😦

©Foto von Flickr/Rolf Brecher „Ahuuuuuuuuu………“, (CC BY-SA 2.0)

 

Star Trek Moment

Vermutlich jeder kennt die Situation aus einer beliebigen Folge der Original Star Trek Serie:

Kirk: „Kirk an Maschinenraum: Statusbericht!“
Scotty: „Uh, das sieht hier ganz übel aus. Der WARP-Antrieb ist ausgefallen, sämtliche Dilithiumkristalle sind geschmolzen und die Hauptplasmaleitung ist praktisch nicht mehr vorhanden.“
Kirk: „Wie lange braucht ihr, um das zu reparieren?“
Scotty: „Mindestens 24 Stunden, nur um den Impulsantrieb zum Laufen zu kriegen.“
Kirk: „Das ist jetzt aber blöd, wir müssen in 12 Stunden zum Romulanischen Ale trinken auf Talara 5 sein. Ihr habt 4 Stunden für die  komplette Reparatur.“
Scotty: „OK, ich mach es in 2!“

Soweit, so bekannt 😀

Weniger lustig wird es, wenn dir eine solche Situation im echten Leben begegnet.

Meine Firma ist als Dienstleister unterwegs und beteiligt sich deswegen immer wieder an Ausschreibung, um auch weiterhin Dienste leisten zu können. Bei einer aktuellen Ausschreibung wird gefordert, dass die zu leistende Firma nach ISO/IEC 27001 zertifiziert sein soll. Ein Mitbewerber meinte, dass sie sich gerade im Zertifizierungsprozess befinden und fragte, ob es ausreicht, wenn dieser Prozess im November abgeschlossen wäre, was wiederum vom Ausschreiber bejaht wurde.

Unsere Entscheider setzten sich daraufhin zusammen und diskutierten eine mögliche Zertifizierung für unser Unternehmen.

Geschäftsführer: „Herr Datenschutzbeauftragter, wie lange, realistisch betrachtet, würde eine Zertifizierung in unserem Unternehmen dauern?“
Datenschutzbeauftragter: „Wenn wir es nur auf das Rechenzentrum beschränken und die anderen Abteilungen erstmal weglassen, brauchen wir ungefähr 3 Jahre.“
Abteilungsleiter der Abteilung X: „Also, wenn wir die Zertifizierung einmal anfangen und das Rechenzentrum eh fast alles abdeckt, dann können wir auch gleich alle Abteilungen mit einbeziehen und das würde dann auch nur 2 Jahre dauern.“
Gschäftsführer: „Gut, machen wir das also unternehmensweit und ihr habt 6 Monate!“

Und nun ratet mal, wer im Projektteam ist, weil in ihrem Lebenslauf ganz versteckt irgendwo steht „Mitarbeit bei ISO 9001-Zertifizierung“?

Das wird sicher ein Spaß!

 

Ehe und andere Katastrophen

Einblicke in anderer Leute Leben finde ich immer faszinierend. Manche mögen solche Einblicke dazu nutzen, um sich besser oder überlegen zu fühlen, denn nicht umsonst haben die Scripted Reality Formate der Privatsender solch vergleichsweise hohen Einschaltquoten. Mir hingegen bieten diese Einblicke einen Zugang zu anderen Lebensentwürfen oder aber die Erkenntnis, ach schau an, denen geht es ja genauso. Oft auch beides. Nie jedoch werte ich das, was mir die Einblicke zeigen, es kann aber sein, dass ich zu der Erkenntnis gelange, dass eine bestimmte Lebensweise nicht zu mir passt. Egal wie offenherzig diese Einblicke auch sind, sie zeigen nie alle Facetten, nie werden alle Aspekte beleuchtet und nie sind die Charaktere und Handlungsmotivationen der Akteuere deckungsgleich mit denen der Zuschauer, so dass sich allein dadurch schon eine Bewertung verbietet. Also bitte seid gnädig mit uns, wenn ich einen solchen Einblick gewähre, wir sind uns durchaus der vielen Kopf-meets-Tischplatte-Momente bewusst!

Es fing wie alles an, nämlich am Anfang. Wobei festzulegen, wo der Anfang genau ist, relativ schwierig ist. Denn irgendwie habe ich meinen Mann übers Internet kennengelernt, aber irgendwie auch eben nicht. Um diesen Widerspruch aufzulösen, muss ich wohl doch ein wenig ausholen.

Als das Internet noch jung und die Datenleitungen sehr dünn waren, gab es dennoch bereits Bestrebungen, online Spiele zu spielen, interaktiv mit anderen Spielern in Kontakt zu treten und sogar gemeinsam Aufgaben zu lösen. Was heutzutage gang und gebe und mit realistischsten Grafiken unterlegt ist, war damals technologisch gar nicht möglich. Es gab die einfachste aller Varianten, Textadventures mit mehr oder weniger Rätseln oder Kämpfen, für jeden Spielertypen war etwas dabei. Ich entschied mich für ein Spiel mit dem Hauptthema „Der Zauberer der Smaragdenstadt„, was sich im Nachhinein als durchaus schicksalhaft herausstellen sollte. Denn mein Mann entschied sich ebenso dafür. Eine ganze Weile spielten wir so vor uns hin, immer wieder begleitet von längeren Unterbrechungen meinerseits, die meinen Spielercharakter immer wieder zurückwarfen, so dass ich selbst nach 8 Jahren Spielzugehörigkeit der absolute Noob war. Aber die anderen Spieler waren nett und so quatschte ich lieber mit denen, als wirklich zu spielen. Anders mein Mann, der einen unglaublichen Ehrgeiz entwickelt hatte und der Obermotzspieler wurde. Niemand war besser als er, obwohl viele versuchten, ihm den Rang abzulaufen. Dies alles geschah aber auf freundschaftlicher Ebene, es gab nur seltenst echte Auseinandersetzungen oder aggressive Diskussionen – ein wesentlicher Grund, warum ich mich dort so wohlfühlte. Aber wie das bei Noobs wie mir eben so ist, ich war total schüchtern den großen Spielern gegenüber. Wenn mir mal im Spiel einer über den Weg lief, erstarrte ich in Ehrfurcht. Sprach mich sogar einer von denen an, verschlug es mir die Sprache und oft loggte ich mich einfach aus. Ein Verhalten völlig konträr zu meinem Auftreten im echten Leben.

Die Spielerschaft war eine eingeschworene Gemeinschaft, denn es braucht schon ein wenig Sonderlichkeit, sich in dieser Art Spiel zu verlieren. Und bei solchen Gemeinschaften entsteht über kurz oder lang das Bedürfnis, sich zu treffen, einander kennenzulernen und auch in echt mal mit dem einen oder anderen alkoholischen Getränk anzustossen. Jedes Jahr gab es daher ein Spielertreffen. Bei meinem ersten Treffen 2000 war auch mein Mann dabei, allerdings erst am letzten von 4 Tagen und ich hab davon nach nur insgesamt 5 Stunden Schlaf nicht mehr viel mitbekommen. Die nächsten Jahre pausierte ich, aber 2005 war ich wieder dabei und organisierte sogar das Treffen. (Allein dieses Wochenende mit allem Drumherum ist eine eigene Geschichte wert!)

Im Frühsommer 2005 trudelten also ca. 40 Spieler in einer Jugendherberge in der Nähe von Bad Kissingen ein und einer davon war mein Mann. Ich kannte die allerwenigsten der Spieler vom Aussehen, so dass ich völlig unbefangen auf jeden einzelnen zugehen konnte, wusste ich doch nicht, ob dies ein Level 45+-Spieler oder ein Stufe 10-Anfänger war. (Die theoretische Obergrenze bei diesem Spiel liegt bei Level 50, alles über 40 ist sehr gut, über 45 nur mit enormen Aufwand zu erreichen und nur eine handvoll Spieler schaffte es je über Stufe 48; dies nur zur Einordnung.)
Mir sprang da ein junger Mann ins Auge mit ganz wundervollen bernsteinfarbenen Augen. Wir verstanden uns auf Anhieb und schnell war das Eis gebrochen. Da machte es dann auch nichts mehr, dass er DER Topspieler war, da war es längst zu spät um schüchtern zu sein. Beim gemütlichen Zusammensein aller Spieler am Lagerfeuer stellte sich schnell heraus, dass er einen exzellenten Humor hatte und blitzgescheit war.

Ich baggerte ihn nach allen Regeln der Verführungskunst an und meine Bemühungen blieben nicht ohne Erfolg, wurden jedoch jäh gedämpft, als er mir sagte, dass er in einer glücklichen Beziehung sei. Tja, dumm gelaufen. Wir machten das beste draus, amüsierten uns dieses Wochenende und waren uns einig, dass darüber hinaus nichts laufen würde. Ich mischte mich grundsätzlich nicht in Beziehungen ein und bin der Ansicht, in eine wirklich glückliche Partnerschaft kann niemand von außen einbrechen. Am Ende des Wochenendes verabschiedeten wir uns und künftig trennten uns 550 km, genügend Abstand, um sich nicht permanent über den Weg zu laufen.

Doch so glücklich war die Beziehung wohl doch nicht, denn 3 Tage später gestand er mir, dass ich ihm nicht mehr aus dem Kopf gehen würde. Es folgte ein Hin und Her, Unschlüssigkeit auf beiden Seiten, Verunsicherung auf meiner, ob ich mich tatsächlich darauf einlassen sollte und vielleicht wäre ich ja nur eine Liebschaft, wenn seine Olle grad keinen Bock hat oder verreist ist. In dieser Zeit schrieben wir viel und telefonierten hin und wieder miteinander. Vier Wochen später wollten wir uns wiedersehen. Ich beschloss zu ihm zu fahren, aber nur unter der Bedingung, dass er vorher reinen Tisch macht und seine Beziehung beendet. So einen zweigleisigen Hickhack wollte ich auf keinen Fall mitmachen, entweder richtig oder gar nicht, für Experimente hatte ich einfach keine Zeit mehr.
Der große Tag der Entscheidung sollte am Dienstag vor meinem Besuch sein und an diesem Tag lief ich rum wie Falschgeld. Ständig fragte ich mich, ob er es wirklich durchzieht oder doch einen Rückzieher macht, was ich dann machen würde, wie verheerend für mich ein negatives Erlebnis sei. Durch diverse Umstände war ich zu diesem Zeitpunkt mental bereits schwer angeschlagen. Ohne es zu wollen hatte ich mich verliebt, habe mir große Hoffnungen gemacht und wollte sie um keinen Preis zerschlagen sehen.
Abends wartete ich vor meinem Rechner, dass er endlich online kommt und mir das Resultat mitteilt, immer im Limbo zwischen freudiger Erwartung und abgrundtiefer Verzweiflung. Endlich loggte er sich ein und nur mit Mühe konnte ich meine Ungeduld verbergen. Allerdings wollte ich mir nicht die Blöße geben, ihm zu diesem Zeitpunkt zu offenbaren, wie wichtig mir diese Entscheidung war. Bei negativem Ausgang wäre es nur ein weiterer Angriffspunkt für ihn gewesen, mit dem er mich hätte verletzten können. Er rückte dann von selbst mit der Sprache raus, erzählte, dass er Schluss gemacht hätte, natürlich mit dem erwarteten Drama, aber Aus ist Aus und seine WG wüsste es auch schon.

Die Mitbewohner nahmen die Tatsache einfach so hin, obwohl alle seine Exfreundin kannten und teilweise eng mit ihr befreundet waren. Als ich ihn am darauffolgenden Wochenende besuchten, begrüßten sie mich ganz normal und nahmen mich ohne Vorbehalte in ihren Bekanntenkreis auf, wofür ich ihnen echt dankbar war. Mein Mann und ich hatten endlich Gelegenheit, uns näher kennenzulernen und nutzten dies auch schamlos aus.
Zu diesem Zeitpunkt war ich schon nicht mehr die Allerjüngste, ich hatte diverse Beziehungen hinter mir, hatte mich ausgiebigst auf dem Männermarkt umgesehen und eine ziemlich klare Vorstellung davon, was denn ein passender Partner für mich wäre. Früher waren es die bekannten Eckpunkte wie Geld bzw. sicheres Einkommen, eine schicke Wohnung und gutes Aussehen. Im Laufe der Zeit stellte ich jedoch fest, dass all dies niemals gute Gespräche und gemeinsame Interessen ersetzen kann. Mir war Nahrung für meine Seele, meinen Geist wichtiger als schicke Klamotten oder teure Urlaube. So checkte ich dann meinen Mann ab, glich seine Eigenschaften mit den Punkten auf meiner internen Liste ab, auf der sich bald jede Menge Häkchen tummelten. Finanziell sah es bei uns beiden überhaupt nicht rosig aus, so dass wir nach dem initialen Besuch zwei oder drei Wochen warten mussten, bevor wir uns wiedersehen konnten. Leider wurde mein Mann krank, Männergrippe, er blickte dem Tod ins Auge, was seine Exfreundin nutzte, um sich wieder an ihn ranzuschmeissen. Sie tauchte mit frisch gekochter Hühnersuppe und Obstkörbchen bei ihm auf, wollte ihn aufpäppeln und bemuttern.

Das konnte ich auf keinen Fall zulassen, Geld hin oder her. Um meinen finanziellen Verlust ein wenig einzudämmen, meldete ich mich bei einer Mitfahrzentrale an und packte mir das Auto mit netten Menschen voll, die in meine Richtung wollten. So stand ich überraschend Freitag Abend in der WG meines Mannes, wo seine Ex bereits die nächsten Geschütze aufgefahren hatte. Nix da Herzchen, jetzt bin ich am Zug. Ich fuhr daraufhin jedes Wochenende zu meinem Mann, oder er besuchte mich, als Student war er wesentlich flexibler in der Zeiteinteilung als ich. Durch die Mitfahrzentrale waren die Fahrten ein Nullsummengeschäft und mir machten die langen Autofahrten nichts aus, war sie seit mehreren Jahren gewöhnt. Die Gegenbesuche meines Mannes waren ein Novum für mich, so etwas kannte ich aus meiner vorhergehenden langjährigen Beziehung überhaupt nicht. Mein Ex, der ein Auto und Geld ohne Ende hatte, schaffte es nicht, mich zu besuchen und meine Welt kennenzulernen, sondern verlangte stattdessen, dass ich jedes Wochenende die nervenaufreibende Heimfahrt antrat, damit er es auch schön bequem hat. Derjenige hingegen, der jeden Cent zweimal umdrehen musste, fand Wege und Mittel, um an meinem Leben teilzuhaben, um mich und meine Freunde kennenzulernen. Diese Offenheit für Neues, auch die damit verbundene Neugier entsprach viel mehr meinem Naturell und war ein weiterer riesiger Pluspunkt.

Weiterhin klopfte ich meinen Mann auf Herz und Nieren ab und irgendwann ging es auch ans Eingemachte. Mittlerweile war ich 27 Jahre alt. Meine biologische Uhr tickte. Laut. Für Experiemente hatte ich weder Zeit noch Nerven. Für mich ist es wichtig, dass mein Partner in Grundzügen ähnliche Lebensentwürfe verfolgt wie ich. Mir nützt es gar nichts, wenn ich ihn nach der Zukunft und Kindern frage, und er mir erzählt, er geht in einem Jahr für immer ins Kloster oder sein Lebensziel ist, mit den Eingeborenen in Papaneuguinea zu leben und das doch bitte ohne Kinder. Nicht, dass solche Ziele schlecht sind, sie passen nur nicht zu meinen Vorstellungen und eine Beziehung würde vermutlich sehr holprig und von sehr vielen Kompromissen geprägt sein, und das wo Partnerschaften per se schon harte Arbeit sind.
So fragte ich ihn also eines Abends, so ganz allgemein und generell, ob er sich denn vorstellen könnte, mich zu heiraten. Wie gesagt, ich wollte damit nur wissen, ob er sich generell für Ehe und Familie erwärmen kann. Und was macht der Kerl? Statt zu antworten, ja, nein, vielleicht, irgendwann mal, warum nicht oder etwas in ähnlichem Tenor, fragt er: Ja klar, wann?

Die Geister die ich rief. Was sollte ich im Gegenzug darauf antworten? Ich ging schnell meine Checkliste durch, dachte über die letzten Wochen nach, über meine Gefühle, meine Erfahrungen, dachte an vergangene Beziehungen, eigene und fremde. Erinnerte mich an die legendären 3 Pärchen in meinem Bekanntenkreis, die das wunderschöne Datum 9.9.1999 nutzten, um sich das Ja-Wort zu geben. Alle Beziehungen waren mindestens 5 Jahre alt, eine hatte sogar schon das 10-jährige Bestehen gefeiert und alle Ehen waren ein Jahr später in die Brüche gegangen, die Scheidungspapiere eingereicht. Was nützt es da, sich lang und breit zu prüfen, da kann man auch direkt ins kalte Wasser springen. Als Datum böte sich der 1.11. an, leicht zu merken und auch noch mein Geburtstag.

All dies ging mir innerhalb einer Sekunde durch den Kopf und letztendlich sagte ich, ok, wie wär es mit dem 1.11.? Da haben wir noch ein wenig Zeit, falls wir uns in der Zwischenzeit doch total doof finden sollten, es wäre aber auch nicht so ewig weit weg. Er war einverstanden und so schmiedeten wir die nächsten Wochen und Monate Hochzeitspläne. Für mich stand von vornherein fest, dass es eine Trauung im ganz kleinen Rahmen werden würde, nur das Paar und jeweils ein Trauzeuge, und es sollte geheim bleiben. Wir wollten in meiner Heimatstadt heiraten, weil mein Mann in seiner so bekannt war wie ein bunter Hund und es zu wahrscheinlich gewesen wäre, dass uns irgendein Bekannter zufällig über den Weg lief. Mein Mann kümmerte sich um das Aufgebot, fuhr zweimal alleine zum Standesamt, einmal fuhren wir zusammen und mussten vor Ort feststellen, dass zum Einen an Dienstagen grundsätzlich nicht geheiratet werden kann. Mein Geburtstag fiel in jenem Jahr auf einen Dienstag, so dass der 1.11. ausfiel und wir auf den 5.11., einen Sonnabend, umschwenken mussten.
Zum Anderen heirate ein Pärchen am gleichen Tag, zur gleichen Zeit und die Frau hatte den gleichen Nachnamen wie ich, was für einige Verwirrung sorgte. Wie sich im weiteren Verlauf herausstellte, war das meine Cousine, zu deren Hochzeit nur meine Eltern, nicht aber ich eingeladen waren. So ganz ungelegen kam mir das nicht, wusste ich doch so ganz genau, wo sich meine Eltern zum entsprechenden Zeitpunkt aufhalten würden und auch, wenn uns nur 500 m Luftlinie trennten, lagen doch Welten und ein Fluss zwischen uns.

Alles klein und geheim hielt uns nicht davon ab, trotzdem alles Drum und Dran mitzunehmen. Mein Mann kaufte einen Verlobungsring, wofür er seinen Arbeitgeber, bei dem er als Student nebenbei jobbte, um einen Vorschuss bitten musste. Bereits damals merkte ich, dass Normal irgendwie auf andere besser passte und so machte auch der eigentliche Heiratsantrag keine Ausnahme. Es war an einem wunderschönen Wochenende im September. Die gesamte WG meines Mannes war mit den Vorbereitungen für ein kulturelles Großereignis beschäftigt, welches am Sonntag stattfinden sollte. Seit Wochen werkelten sie an den Kostümen und so langsam wurde die Zeit knapp und natürlich fehlten immer genau die Materialien, die man am nötigsten brauchte. Als einziger WG-Bewohner, wenn auch nur temporär, besaß ich ein Auto und erklärte mich bereit, zur Materialienbesorgung die Baumärkte der Umgebung abzufahren. Mein Mann begleitete mich und nach einer intensiven Hatz durch Hochregale und Gartenzubehör saßen wir wieder im in der Sonne ordentlich aufgeheizten Auto. Mein Mann hatte etwas im Kofferraum vergessen, stieg aus und öffnete kurz danach die Fahrertür. Er sank vor mir auf die Knie, gekleidet in einen beigefarbenen Blaumann, den Verlobungsring im geöffneten Schmuckkästchen in der Hand und stellte mir die Frage aller Fragen. Natürlich sagte ich Ja, und obwohl die Tatsache, dass er mich heiraten möchte, nicht wirklich überraschend kam, war ich ordentlich durch den Wind und es brauchte eine Viertelstunde, bis sich die Aufregung gelegt hatte und ich wieder fahrtüchtig war. Das Wochenende war ein großer Erfolg, denn auch das Großereignis ging wie geplant über die Bühne und „meine“ Jungs räumten mit ihren Kostümen den ersten Platz ab, mal wieder.

Wer schon einmal eine Hochzeit vorbereitet hat, weiß, dass es unendlich viele Dinge gibt, die organisiert und geplant werden müssen. Die Größe der Veranstaltung spielt da nur eine untergeordnete Rolle, denn Kleid, Schuhe, Anzug, Aufgebot, Ringe und Essen werden genauso gebraucht. Man kann sich das Probeessen, die Einladungen und den Alleinunterhalter sparen, den Stress allerdings nicht.
Ich fand im Internet ein wunderschönes, weinrotes Ballkleid, welches ich zur Trauung tragen wollte. Weiß kam für mich nie in Frage, denn ich mag bestimmt vieles sein, aber Unschuldig bin ich mit Sicherheit nicht. Außerdem war früher Rot die traditionelle Hochzeitsfarbe und erst später setzte sich die Kirche mit dem keuschen Weiß durch. Die Farbe des Kleides bestimmte auch alles andere. Meine Handtasche, die ich preiswert und nach nur kurzer Suche in einem Kaufhaus fand. Meine Stiefel, die ich wesentlich länger suchte. Den Haarschmuck beim Schmuckdiscounter, denn es gibt nirgendwo auf der Welt rote Schleier oder Tiaras. Das Hemd meines Mannes, das wir im kleinsten Herrenausstattergeschäft der Stadt kauften, weil nur dieses weinrote Hemden führte. Der Anzug war dagegen harmlos, eine gute Marke von der Stange, kostenlos umgenäht, da mein Mann eben keine Modelmaße hat. Ich bekam sogar im Vorfeld noch eine schicke Frisur für fast kostenlos, weil eine meiner Mitfahrerinnen ein Haarmodell für ihre Bekannte suchte, die kurz vor der Friseurinnenabschlussprüfung stand.
Ein richtiges Killerthema waren allerdings die Ringe. Da ich nur Silberschmuck trage, sollte auch der Ring silberfarben sein. Reine Silberringe fanden wir nicht passend, Platin konnten wir uns nicht leisten, also blieb nur Weißgold. Aber selbst da gab es eine riesige Auswahl, aber fast jeder Ring war in irgendeiner Form verziert. Furchen, Rillen, Edelsteine, zweifarbiges Metall, Schnörkel, wasauchimmer. Einen schlichten Ring ohne alles fanden wir erst im 5. Geschäft, bei einem Trauringspezialisten. Alle Juweliere zuvor nannten sich zwar auch Trauringfanchgeschäft, aber hatten nichts passendes im Angebot und verwiesen uns auf den Spezi am Rande der Stadt. Man sieht es den Ringen nicht an, aber sie haben zusammen 700 € gekostet, wofür mein Mann erneut einen Vorschuss von seinem Arbeitgeber bekam.

Endlich hatten wir alles zusammen, das Aufgebot war bestellt, die Trauzeugen gefragt, der Urlaub eingereicht, damit ich die Woche davor bei meinem Mann sein konnte, die Haare gerichtet, Anzug und Kleid gebügelt. Vor dem großen Tag allerdings war es mir noch wichtig, dass meine Eltern meinen zukünftigen Mann kennenlernen. Quasi als letzte Veto-Möglichkeit. So fuhren wir zwei Tage vorm Termin zu mir nach Hause und gingen mit meinen Eltern essen. Sie verstanden sich gut mit meinem Mann, es war ein schöner gemütlicher Abend, wie ich fand und der Hochzeit stand nichts mehr im Wege.

Am 5. November 2005 stand ich in aller Herrgottsfrühe auf, um mich im Rahmen meiner Möglichkeiten aufzubrezeln. Es durfte aber nicht zuviel sein, damit ein zufällig ebenso zeitig wacher Mitbewohner keinen Verdacht schöpfte. Mein Stresslevel war entsprechend hoch und so blieb auch der obligatorische Streit am Hochzeitstag nicht aus. Von solchen Kleinigkeiten ließen wir uns aber nicht aufhalten und so fuhren wir zu viert in meine Heimatstadt. Da niemand sonst in Besitz eines gültigen Führerscheins war, fuhr ich selber. Zwischendurch kaufte einer der Trauzeugen in einem Einkaufszentrum einen Blumenstrauß, denn daran hatten wir überhaupt nicht gedacht. Erstaunlich pünktlich kamen wir am Standesamt an, wo wir dann mehr oder weniger ungeduldig auf den Beginn der Zeremonie warteten. Mein Trauzeuge half mir, mein Kleid zu richten, denn obwohl es massgeschneidert war, passte es nur bedingt gut. Endlich wurden wir in den Raum geführt, musikalisch untermalt von unserer Musik, die wir mit tatkräftiger Hilfe unseres Trauzeugen zusammengestellt hatten und für die uns die Standesbeamtin nach der Trauung beglückwünschte, da sie wirklich ganz wunderbar passend war. Dies mag verwundern, jedoch bekamen wir während der Vorbereitungen eine Liste vom Standesamt in die Hand gedrückt mit Liedern, welche dort „vorrätig“ waren, weil sie eben bei mindestens einer Hochzeit gespielt wurden. Diese Liste umfasste so grandiose Titel wie „Highway to hell“, „Time to say goodbye“ und andere Klassiker.
Von der eigentlichen Trauung weiß ich fast gar nichts mehr. Die Standesbeamtin hielt ihre Rede, sprach über Liebe und Partnerschaft und Höhen und Tiefen. Sie hätte auch die Relativitätstheorie erklären können oder die 10 Gebote vorlesen, für mich war es einerlei. Ich stand so unter Strom und hoffte alleinigst, dass ich meinen Einsatz „ja, ich will“ nicht verpasse. Was mir allerdings immer noch sehr lebhaft vor Augen steht ist der Bauzaun, auf den man eine unverstellte Aussicht vom Fenster des Zeremonienzimmers hatte. Nach 20 Minuten war alles vorbei und wir wurden in die Freiheit entlassen. Der Trauzeuge meines Mannes machte noch Fotos innerhalb und außerhalb des Standesamts, mit seiner sehr guten Spiegelreflexkamera. Meine Kamera hatte zwei Tage vorher den Geist aufgegeben und so waren wir dankbar, überhaupt irgendwelche Fotos zu haben. Leider hatte die Spiegelreflex eine Macke, so dass der Blitz bei sämtlichen Innenfotos übersteuerte und alle Fotos ein wenig überbelichtet waren. Hinzu kam, dass der Aushilfsfotograf – ein auf eine andere Hochzeit wartetender Gast, der uns seine Hilfe anbot – überhaupt keinerlei Talent für Bildaufteilung hatte und bei den Gruppenfotos überall die Füße fehlten, dafür aber ein Drittel Luft über den Köpfen ist.
Immerhin sind unsere Fotos dadurch superindividuell geworden!

Nach der Trauung machten wir einen kleinen Stadtrundgang, bei dem es anfangs nieselte und später richtig regnete. Mein Kleid sog sich mit Wasser voll und die durchweichten Stiefel drückten ganz unangenehm auf meine Knöchel. Dermassen derangiert trafen wir beim Griechen ein, wo wir unser Festmahl zu uns nehmen wollten. Wir waren die einzigen Gäste und so störte es niemanden, dass ich meine Stiefel auszog und fortan nur in Strümpfen wandelte.
Das Essen war gewohnt lecker, nur hatte ich das Problem, dass mein Kleid im Bauchbereich so eng war, dass nach der Vorspeise einfach nix mehr reinpasste. Der Reißverschluss hatte sich allerdings so an einem Abnäher verklemmt, dass er sich weder vor noch zurück bewegen liess. Bei Essen kenne ich keine Gnade, da musste eine Lösung her. Der Trauzeuge meines Mannes wusste auch eine, kramte ein Taschenmesser hervor, schnitt kurzerhand den Reissverschluss auf und wir konnten endlich alle ungestört das Festgelage fortsetzen. Anschließend fuhr ich alle wieder heim, wir wollten eine Mittagspause einlegen, bevor wir uns am Abend zu den eigentlichen Feierlichkeiten wiedertrafen. So hatte ich Gelegenheit, mich in bequemere und vor allem nicht kaputte Klamotten zu werfen und ein wenig die Aufregungen des Tages zu verdauen.
Für den Abend hatten wir uns zum Billard- und Dartspielen verabredet, was wir dann auch bis in die Morgenstunden und mit reichlich Alkohol taten. Sicherlich nicht gewöhnlich für eine Hochzeit, aber für uns genau richtig und selbst mit 10 Jahren Abstand würde ich es wieder so machen.

Da waren wir nun verheiratet. Ein Ehepaar. Mann und Frau. Für mich hatten diese Begriffe einen unwirklichen Klang, ich konnte sie nicht mit mir, mit uns vereinbaren. Verheiratet waren doch immer nur andere. Selbst die Ringe konnten mich nicht so recht von den Tatsachen überzeugen. Es dauerte ungefähr ein halbes Jahr, bis ich das alles letztendlich verinnerlicht hatte, bis ich sagen konnte, ja, ich bin verheiratet.
In dieser Zeit offenbarten wir uns Stück für Stück in der Familie und im Freundeskreis. Meinen Eltern sagten wir es zu Weihnachten und ich hatte furchtbare Angst vor der Reaktion meiner Mutter. Sie hatte zwar immer gesagt, dass sie das völlig in Ordnung finde, wenn man nur ganz klein heiratet und dass man das Geld doch für nützlichere Dinge verwenden könne. Als dann eine Freundin, die zugleich auch die Tochter eines der besten Freunde meines Papas ist, ganz klammheimlich auf den Maledivien (oder war es Mauritius) heiratete, befürwortete meine Mama lautstark diese Entscheidung. Doch trotz all dieser Äußerungen konnte ich nicht abschätzen, wie meine Mama letztendlich reagieren würde, wenn es um ihre eigene Tochter ging. Mein Mann und ich vereinbarten deswegen, dass wir es erst am 1. Feiertag erzählen wollten und bis dahin auch nicht die Ringe tragen, um meiner Ma ihren hochheiligen Heiligabend nicht zu verderben.
Meine Mama überraschte mich allerdings, denn als sie von der Hochzeit erfuhr, meinte sie, oh, dann sind wir das Problem jetzt los und Papa, mach mal den Sekt auf. Auch wenn mich der Spruch immer noch ein wenig wurmt, hätte alles doch viel schlimmer kommen können.

Ein großes Problem stand allerdings nach wie vor im Raum, denn mein Mann und ich führten von Beginn an eine Fernbeziehung. Er studierte und konnte nicht so einfach den Studienort wechseln und ich brauchte dringend einen Job, hatte Kredite an der Backe und Schulden bei meinem Exfreund, welcher mir zinslos Geld für den Autokauf geliehen hatte. Ich suchte verzweifelt einen neuen Job, nicht nur wegen der Fernbeziehung, sondern auch weil das Verhältnis zwischen meiner Firma und mir komplett zerrüttet war. Die Vorkommnisse von damals raubten mir damals und heute den Schlaf und ich wollte nur weg von dort. Jobs im Osten waren zu jener Zeit Mangelware, der Aufschwung kam nur langsam in Gang. Durch Zufall fand mich ein Headhunter und machte mir ein vielversprechendes Angebot, welches ich nicht ablehnen konnte. Mit dem allergrößten Vergnügen reichte ich Ende Januar 2006 meine Kündigung ein und bereitete mich vor, in 4 Wochen in eine neue Stadt zu ziehen. Glücklicherweise, oder leider, je nachdem von welcher Warte aus man es betrachtet, brach ich mir am Wochenende nach der Kündigung beim Schlittschuhlaufen das Handgelenk an und war 4 Wochen krank geschrieben, so dass sich immerhin die Wohnungssuche und die Umzugsorganisation ein wenig entschärfte.

Wir fanden tatsächlich eine schnuckelige kleine Wohnung in der bevorzugten Gegend und mit Hilfe von 3 Freunden schafften wir es, an einem Wochenende meine alte Wohnung leer und die neue Wohnung voll zu räumen. Der Umzug meines Mannes war weniger zeitkritisch, da sein Möbelbestand aus dem WG-Zimmer nicht wirklich überlebenswichtig war. Da der neue Job in meiner Heimatstadt war, pendelte ich ab März täglich 120 Kilometer einfache Strecke. Mir war das egal, Hauptsache ich konnte am Abend zuhause bei meinem Mann sein. Über 6 Jahre Fernbeziehung in meinem Leben reichten mir. Meine damalige neue Firma hatte mir zugesagt, dass die ersten 3 Monate zur Einarbeitung genutzt werden und ich erst danach in Projekte vermittelt würde. Anfang April kam die Anfrage, ob ich dann eine Woche später bei einem großen Projekt bei Frankfurt mitmachen möchte. Wobei „Anfrage“ nett formuliert ist, denn mitten in der Probezeit bei generell prekärer Jobsituation in der Gegend ist es völlig egal, wie die Frage formuliert ist oder ob einem noch die Pistole auf die Brust gesetzt wird, die Antwort lautet immer gleich. So wurden aus geplanten 3-4 Monaten Einrichten im Eheleben 6 Wochen und ich war wieder mitten drin in der so verhassten Fernbeziehung. Als einziges Zugeständnis machte mir meine Firma den Vorschlag, nur Montags bis Donnerstag im Projekt zu arbeiten, Freitags sollte ich wie gewohnt pendeln. Klingt toll, war es aber nicht, denn der Projektpartner geht davon aus, dass man die vereinbarten Stunden bringt, egal wie. Durch die An- und Abreise konnte ich zwei Tage nur halbtags anwesend sein und musste die Fehlstunden an den verbleibenden 2 Tagen nacharbeiten, statt die Stunden auf 3 Tage strecken zu können. Hieß letztendlich, 3 Tage 11-12 Stunden Arbeit. Gaaaanz toll.
Als ich dann darum bat, im letzten Monat der Probezeit 2 Wochen Urlaub nehmen zu können, um unsere Flitterwochen in Frankreich zu verbringen, durfte ich nur eine Woche nehmen. All diese Kleinigkeiten belasteten das junge Eheglück, indem wir gerade versuchten uns einzurichten und aneinander zu gewöhnen. Mein Mann hatte ein Jahrzehnt in teilweise sehr großen WGs gewohnt und wurde quasi von jetzt auf gleich mehr oder weniger zur Einzelexistenz verdonnert, während ich es mir im Singleleben gemütlich gemacht hatte und nun wieder Rücksicht nehmen musste. Natürlich gab es Spannungen, doch ging ich Streits oft aus dem Weg, denn ich wollte meine kostbare Zeit daheim nicht damit vergeuden.

Die Flitterwochen rückten näher und es zogen das erste Mal große dunkle Wolken auf. Es waren auch keine richtigen Flitterwochen. Der beste Freund meines Mannes hatte vor Jahren eine Französin kennengelernt, hatte mir ihr ein Kind und war dann nach Frankreich ausgewandert. Nun wollten die beiden heiraten, in Frankreich, und sie luden alle Freunde aus Deutschland zur Feier ein und boten an, anschließend gemeinsam ein paar Tage in einem Haus in der Bretagne zu verbringen. Dieses Angebot konnten wir unmöglich ausschlagen, denn einen echten Urlaub mit Hotels und Restaurants hätten wir uns damals nie leisten können. Wir kamen finanziell irgendwie über die Runden, lebten aber mehr oder weniger komplett von meinem Einkommen, welches aber durch die Kreditratenzahlungen und die Rückzahlung des Darlehens meines Ex-Freundes merklich geschmälert wurde. Er ging zwar nach wie vor jobben, mehr als ein Zubrot war das jedoch nicht. Natürlich übernahm ich alle Fixkosten wie Miete, Internet, Telefon, Versicherungen, etc. Mein Mann musste nur die Stromrechnung zahlen. Dies hatte er schon in der WG übernommen, wo einer eben für Strom, der andere für Telefon, der nächste für Wasser, usw. verantwortlich war.
Als endlich, nach über einem Jahr, der erste gemeinsame Urlaub anstand, konnte ich es kaum abwarten, loszufahren. Ich war einfach komplett urlaubsreif, ich hatte die Nase vom neuen Job voll, die ewigen Geldsorgen nervten und meine Psyche hatte noch keine Gelegenheit gehabt, sich ein wenig zu erholen. Wenigstens konnte ich mich auf meinen Mann verlassen.

Dachte ich. Einen Tag vor unserer Abreise nach Frankreich klingelte es an der Tür und ein netter Herr von den Stadtwerken stand davor. Wir wären mehrere Monate im Verzug mit unserer Stromrechnung und entweder zahlten wir sofort den offenen Betrag plus Bearbeitungsgebühr oder er klemmt die Stromzufuhr an, dann müssten wir das wieder freischalten lassen, was ungefähr nochmal soviel kostet.
Wie jetzt, Stromrechnung nicht bezahlt, Zahlungserinnerungen ignoriert, mehrere Monate lang? Ich fiel aus allen Wolken und das mit 180 Puls!
Tags zuvor war ich bei der Bank und hatte unser Urlaubsbudget in bar vom Automaten geholt. Von diesem bezahlte ich den Strommann und halbierte damit unser Urlaubsgeld. Was für ein toller Start in die Flitterwochen.
Der Urlaub selbst war dann auch nicht so dolle, was mit daran lag, dass ich zum damaligen Zeitpunkt ein ziemlich unsympathischer Mensch war und mir große Menschenansammlungen eher nicht so lagen. Und mein Mann tat sein Übriges. Nach dem gut durchorganisierten Hochzeitswochenende war die Restwoche frei gestaltbar. Nur abends kamen alle zusammen, aßen die gemeinsam gekochten Mahlzeiten und spielten oder unterhielten sich. Tagsüber konnte jeder nach eigenem Gutdünken gestalten.
Da ich mir gerne die Gegend anschaue, in der ich gerade bin, plante ich Tagesausflüge in nahe gelegene Kloster, auf Burgen, zu Leuchttürmen, in Städte. Ich versuchte, meinen Mann so gut es ging mit in die Planungen einzubeziehen, aber ihm war das alles egal bzw. kannte er eine solche Urlaubsgestaltung nicht. Für mich hingegen war es normal, auch mal eine oder anderthalb Stunden zu einem Ziel zu fahren. Als wir eines Tages einen solchen längeren Ausflug unternahmen, kam abends die Bitte meines Mannes, nie wieder so etwas zu machen, er hätte sich ganz furchtbar gelangweilt. Auf mein Anraten, mir dann doch bessere und nähere Ausflugsziele zu nennen, kam nur ein Schulterzucken.
Irgendwie überlebten wir den Urlaub und ich begab mich anschließend zurück ins tägliche Joch, genannt Arbeit, wo sich aber mehr und mehr herauskristallisierte, dass ich am Ende meiner Kräfte bin. Seit September war ich aus dem Projektgeschäft raus, ab November ging ich nur noch sporadisch auf Arbeit, entschuldigte mich immer öfter mit Home Office und ab dem neuen Jahr war ich fast komplett krank geschrieben. Ich hatte Panikattacken, je näher ich dem Arbeitsort kam und eines Tages bin ich noch vorm Erreichen der Autobahn in meinem Auto zusammengebrochen. Ich bemühte mich bei meiner Firma um Kündigung, damit ich nicht in die Sperrfrist des Arbeitsamtes laufe, wenn ich selber kündige oder den Vertrag aufheben ließ. Erst, nachdem ich hoch und heilig versprochen hatte, nicht gegen die Kündigung zu klagen, wurde ich entlassen.
Damals dachte ich, ein paar Monate Ruhe würden reichen, um wieder auf die Beine zu kommen. Ich wollte nochmal studieren oder eine Lehre anfangen oder vielleicht würde ich einen gänzlich anderen Job finden. Irgendwas, nur nicht mehr das verhasste Projektgeschäft. Ende Februar war ich gekündigt und genoss meine neue Freiheit genau eine Woche lang. Danach begann für mich der endgültige Absturz in Depressionen und Angststörungen. Gab mir der Job bis dahin wenigstens ein bisschen Halt, verlor ich diesen nach der Kündigung komplett. Mein Mann war völlig überfordert mit dieser Situation, wusste nicht, wie er mir helfen sollte und zog sich zurück. Meine Krankheit gipfelte darin, dass ich das Haus nicht mehr verlassen konnte, nicht mal mehr, um einen wichtigen Termin beim Arbeitsamt wahrzunehmen, worauf hin mir meine Leistungen prompt gekürzt wurden. Ich war zu diesem Zeitpunkt bereits in psychotherapeutischer Behandlung, aber die konnte angesichts der schieren Größe der Problematik nichts mehr ausrichten und tat das Einzig mögliche: sie organisierte mir einen Platz in einer stationären Therapieinrichtung.
Ab Mai war ich so 12 Wochen weg vom Fenster, durfte das Klinikgelände nicht verlassen. Mein Mann besuchte mich am Wochenende und Dienstags für ein paar Stunden und bemühte sich so gut er konnte um mich. Nach den 12 Wochen wurde ich entlassen und wurschtelte mich ein Jahr lang mit der Krankheit durch. Ich habe das Haus immer noch nur sehr selten verlassen. In der Therapie wurden meine ganzen Schutzmechanismen zerstört, ohne mir neue an die Hand zu geben. Ich fand die ganze Welt bedrohlich und konnte nichts dagegen tun. Einmal wöchentlich sah ich meine Therapeutin, so ich es denn aus der Wohnung schaffte. Manchmal sah ich sie 4 Wochen lang nicht.

Mein Mann war in dieser Zeit mein einziger Bezugspunkt. Er kümmerte sich um mich, ging für uns einkaufen oder erledigte Gespräche mit Behörden oder Ärzten, zu denen ich nicht in der Lage war. Er tröstete mich, wenn die gesamte Welt über mir zusammenbrach, er ermutigte mich, falls ich doch mal so etwas wie Ehrgeiz oder Motivation zeigte.
Und langsam ging es bergauf. Ich lernte neue Mechanismen und war nicht mehr ganz so schutzlos. Um aber wirklich wieder in der Welt zurecht zu kommen, bedurfte es einer zweiten Therapie. Einer, in der ich mich erproben konnte, ohne ernsthafte Konsequenzen fürchten zu müssen. Wieder sprang meine Therapeutin ein und organisierte mir den nächsten stationären Therapieplatz. Im Juni 2008 ging es los, aber diesmal mit wesentlich mehr Freiheiten. So durfte ich während der Freizeit das Klinikgelände verlassen und jedes Wochenende Sonnabend früh nach Hause, um erst Sonntag abend wieder zurück sein zu müssen. Mein Mann besuchte mich wiederum jeden Dienstag nachmittag und wir nutzten die Zeit, um über unsere Beziehung zu reden. Ich lernte während der Therapie, was unser beider Verhalten bei jeweils anderen auslöst. So hatte mein Mann nie gelernt, mit Kritik umzugehen. Sobald man auch nur den kleinsten Fehler bemängelte, stellte er sich als gesamte Person komplett in Frage und machte dicht. Und ging zum Angriff über. Ich wiederum konnte die daraus resultierende Spannung nicht ertragen und gab über kurz oder lang klein bei, was mich immer als Verlierer dastehen ließ. Und ich bin ein lausiger Verlierer.
So schaukelten sich kleinste Dinge zu ausgewachsenen Streits hoch, bei denen wir uns anschrien und sämtliches Schlechtes vor die Füße warfen. Dabei waren die Kritikpunkte immer die gleichen: die mal wieder angemahnte Stromrechnung und der nicht erledigte Abwasch. Er ließ dreckiges Geschirr immer so lange liegen, bis ich entnervt einen Teller abwaschen musste, um überhaupt essen zu können. Das Entnervtsein bleib meinem Mann nicht verborgen und so machte er sich widerwillig an den Abwasch, für den er dann gerne auch mal 4 Stunden in der Küche stand. Hinterher beklagte er sich bei mir über sein Schicksal, gerade 4 Stunden in der Küche gestanden zu haben. Was mich nervte, denn hätte er eher abgewaschen, wäre es nur eine Stunde gewesen.
Aber komm mir nicht mit Logik!

In der Therapie lernte ich, dieses Teufelskreis aufzudröseln. Zu erkennen, was die entstehenden Spannungen bei mir auslösen und das bewusst auszuhalten. Meinen Kommunikationsstil zu ändern, weg vom „du“, hin zum „ich“. („Du hast mal wieder den Strom nicht bezahlt.“ <–> „Ich mache mir Sorgen, dass uns der Strom wieder abgeklemmt wird.“). Stück für Stück verbesserte sich unser Umgang miteinander, die Auseinandersetzungen wurden weniger und wenn sie doch auftraten, waren sie weniger heftig. Allerdings konnte ich nicht verhindern, dass sich mein Mann bei Kritik weiterhin in Frage stellte.
Hinzu kam, dass es mit seinem Studium überhaupt nicht voran ging. Als wir uns kennenlernte, fragte ich ihn, wie lange er noch studieren müsste. 2 Jahre war damals seine Antwort. Als ich ihn 3 Jahre später fragte, waren es immer noch 2 Jahre. Er hatte es sich gut in unserer Beziehung eingerichtet und sah überhaupt keinen Grund, etwas zu ändern. Ich war da anderer Meinung und drängte ihn dazu, endlich in die Pötte zu kommen. Nach längerer Diskussion machten wir einen Deal: er darf noch ein Jahr studieren, muss aber in dieser Zeit die Prüfung zum großen Latinum ablegen. Wenn er durchfällt, bricht er sein Studium ab und geht Vollzeit bei seinem Arbeitgeber (wo dies tatsächlich problemlos möglich war) arbeiten. Wenn er besteht, studiert er die besagten 2 Jahre weiter und macht seinen Abschluss. So oder so wäre in 3 Jahren Schluss. Für uns beide endlich ein realistisches Ziel, denn ich hatte keinen Bock, ihn bis ans Ende der Tage durchzufüttern, schon gar nicht, wenn er daheim rumlungert, während ich malochen gehe.
Obwohl ich ihn nach besten Kräften unterstützte, spannende lateinische Texte für ihn suchte, ihm den Rücken freihielt, fiel er durch beide Prüfungen durch. Aber er hielt sein Wort und ging fortan arbeiten. Sein Studentenvertrag wurde in einen 20-Stunden-Plus-Vertrag gewandelt, mehr war damals nicht drin. So hatte er endlich einen geregelten Tagesablauf mit verlässlichem Einkommen, denn das war in der Zwischenzeit dringend nötig geworden.

Während der zweiten stationären Therapie wurde ich nämlich schwanger und das änderte sämtliche Rahmenbedingungen. Ich hatte einen enorm wichtigen Grund, richtig gesund zu werden und mein Mann einen Anreiz, auch sein Leben zu ordnen. Wir brauchten eine größere Wohnung und mussten für das Baby vorsorgen, Klamotten, Möbel, Informationen.
Wir machten uns beide an die Bewältigung dieser Aufgabe. Ich suchte die Wohnung, er ging arbeiten. Ich organisierte den Umzug, er ging arbeiten. Ich besorgte Klamotten und Möbel, er ging arbeiten.
Damals war diese Arbeitsaufteilung völlig in Ordnung. Durch die Schwangerschaft konnte ich nicht arbeiten gehen bzw. war ich noch durch die Krankheit arbeitslos und der Vermittler der Arbeitsagentur versuchte gar nicht erst, mich in Lohn und Brot zu bringen. Ich organisierte eh gern, etwas, was meinem Mann völlig fremd ist. Er packt an, wenn man ihm sagt, was wann wo gemacht werden muss, aber sich Gedanken über was wann wo zu machen, ist überhaupt nicht sein Ding. Mir fiel also gar nicht auf, dass wir bereits in die nächste große Krise schlitterten, so abgelenkt waren wir durch das Baby.

Er war völlig überfordert mit dieser Situation und der Verantwortung, die sie mit sich brachte. Aktive Konfliktbewältigung hat mein Mann nie gelernt, für ihn hat immer die Strategie „Wegducken und abwarten“ am Besten funktioniert, so dass er sie auch jetzt wieder anwandte. Er zog sich in sich selbst zurück, hat nicht über die ihn beschäftigenden Gedanken geredet. Er ging viel arbeiten, was im Gegenzug bedeutete, dass ich viel allein war. Als der Große dann da war, spitzte sich die Überforderung zu. Er bemühte sich zwar nach Kräften, mich zu unterstützen, aber definierte er Unterstützung völlig anders als ich. Ihm war es wichtig, für die Familie zu sorgen, finanzielle Sicherheit zu schaffen, den Kühlschrank zu füllen. Mir hingegen war seine Teilnahme am Familienleben wichtig, gemeinsame Unternehmungen, Arbeitsteilung.

Als er das erste Mal Windeln wechseln sollte, wurde seine Überforderung deutlich. Er stand vor der Wickelkommode, der kleine Wurm recht entspannt drauf liegend, die Hebamme neben ihm erklärte geduldig die einzelnen Schritte, ich stand als stummer Beobachter daneben. Meinem Mann zitterten die Hände und er war fahrig, traute sich kaum, den Kleinen anzufassen. Einen Arm in einen Ärmel stopfen trieb ihm die Schweißperlen auf die Stirn und er war mehrmals kurz davor, das Zimmer zu verlassen.
Ich glaube ihm, wenn er sagt, er hatte Angst, dem Kerl irgendwie weh zu tun, doch erklärt das nicht die Reaktion. Denn wenn man sich einer bestimmten möglichen Auswirkung bewusst ist, dann setzt man alles daran, es nicht so weit kommen zu lassen. Die Sinne sind geschärft und schon das kleinste Unbehagen wäre registriert worden.
Was ihm so zu schaffen machte war, dass er in eine ihm unbekannte Situation gezwungen wurde, in der er Verantwortung übernehmen musste, aus der er jedoch nicht fliehen konnte. Alles in ihm war auf Flucht ausgerichtet, aber es gab keinen Ausgang.
Im Übrigen machte er das mit dem Windelwechsel großartig, der Kleine war die ganze Zeit entspannt und hat nicht ein einziges Mal gejammert. Und nach dem ersten erfolgreichen Mal waren alle weiteren ein Kinderspiel.
Die Situation mag banal erscheinen, sie zeigt aber genau das Problem der meisten zukünftigen Konflikte und einen der Hauptgründe, warum die Ehe on so unruhiges Fahrwasser geriet.

Wegducken, um keinen Preis Verantwortung übernehmen, Konflikte mit sich selber ausmachen. Seit der Geburt intensivierte sich dieses Muster mit jedem Tag. Ich brauchte einen Partner, mit dem ich über alle anstehenden Dinge reden konnte, mit dem ich gemeinsam Probleme klärte, mit dem ich mich in die Verantwortung teilen konnte. Aber diesen Partner gab es nicht. Sehr oft in jener Zeit bezeichnete ich meinen Mann als weiteres Kind. Die gesamte Last jeglicher Entscheidungen lag auf meinen Schultern. Es ist ja auch wahnsinnig bequem, wenn jemand anderes die Verantwortung übernommen hat, denn dann kann man ihm auch wunderbar die Schuld geben, wenn etwas nicht wie geplant klappt.

Ich merkte, wie sehr mich die Gesamtsituation belastete. Im Jahr nach der Geburt waren wir auf Hartz-IV angewiesen. Da ich vor der Geburt ein Jahr Krankengeld und ein Dreivierteljahr Arbeitslosengeld bezogen hatte, hatte ich nur Anspruch auf den Basissatz Elterngeld, denn Kranken- und Arbeitslosengeld gelten nicht als Einkommen. Mein Mann hatte nur seinen 20-Stunden-Vertrag und in Summe reicht das einfach nicht, um eine dreiköpfige Familie durchzubringen. Zudem war unsere Wohnung für die Behörde zu groß, so dass wir den vollen Mietzuschuss nur im ersten halben Jahr bekamen, danach fehlten uns monatlich 150€. Nur weil absehbar war, dass wir nach der Elternzeit vorerst nicht mehr auf Hartz-IV angewiesen sein werden, sah das Amt davon ab, uns zum Umzug zu zwingen.
Direkt nach der Geburt bemühten wir uns um einen Krippenplatz, auf den damals noch kein Rechtsanspruch bestand. Wir rannten pausenlos zum Jugendamt, wir scannten minütlich das Kindergartenplatzportal der Stadt nach freien Plätzen, wir sprachen persönlich in allen Kindergärten der Umgebung vor. Vergeblich. Dadurch ergab sich die Situation, dass mein Arbeitslosengeld gefährdet war, auf das ich nur Anrecht hatte, wenn ich dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung stehe und das ging nur, wenn ich einen Kinderbetreuungsplatz hätte. Für den man allerdings vom Jugendamt nur bevorzugt berücksichtigt wird, wenn man einen Arbeitsplatz hat, der eine Kinderbetreuung nötig macht. Katze -> Schwanz. Es war zum Verzweifeln.
Gleichzeitig liefen alle meine Bewerbungen ins Leere. Eine Absage nach der anderen, sofern sich die angeschriebenen Unternehmen überhaupt meldeten. Selbst die vom Arbeitsamt genehmigte Weiterbildung brachte keinen Erfolg. Das Jahr Arbeitslosengeld näherte sich dem Ende und wir standen erneut vor Hartz-IV. Ich machte mir wahnsinnige Sorgen um die Zukunft, ich lag nächtelang wach und überlegte hin und her. Ich versuchte, mit meinem Mann darüber zu sprechen, fand aber keinen Zugang zu ihm. Ich spürte, wie ich wieder in das schwarze, bodenlose Loch der Depression glitt, aus dem ich gerade eben erst so mühsam herausgekrabbelt war. Nur gab es diesmal keinen Mann, der mir seine rettende Hand reichte.

Kurz vor knapp ergatterte ich doch einen Job und zumindest die finanziellen Sorgen waren damit erledigt. Ich lernte nette Kollegen kennen und konnte endlich wieder über anderen Themen als Windeln wechseln oder Babybrei reden. In der Zwischenzeit hatten wir einen Tagesvater für die Betreuung des Kindes gefunden, dieser stellte sich jedoch als sehr unzuverlässig heraus, so dass wir mitunter ganz schön rotieren mussten, um Kind und Arbeit unter einen Hut zu kriegen.
Durch die Gespräche mit den Kollegen wurde mir mehr und mehr bewusst, wie gestört unsere Ehe eigentlich war. Ich selber hatte das nicht so gesehen, doch der unverstellte Blick von außen zeigte ein anderes Bild. Ich versuchte, mit meinem Mann darüber zu reden, aber er hatte sich bereits so sehr in sich selbst zurück gezogen, dass ich keinerlei Zugang zu ihm fand. Ich weinte, ich schrie ihn an, er reagierte Null.
So dermassen allein gelassen, kam es wie es kommen musste, auf einmal waren andere Männer wieder attraktiv. Ich verliebte mich in einen Kollegen. Zuerst stemmte ich mich noch dagegen, versuchte weiterhin meinen Mann zu Gesprächen zu bewegen, aber als ich wieder und wieder scheiterte, gab ich auf. Ich setzte mich eines Abends mit ihm hin, mit den berühmten Worten „wir müssen reden“ und erklärte ihm, dass ich unsere Ehe für gescheitert erachte und ich die Beziehung beenden möchte. Natürlich mit Rücksicht auf unser Kind so stressfrei wie möglich, wir müssten auch nicht überstürzt ausziehen. Wir könnten alles in Ruhe regeln, selbst die Scheidung muss nicht sofort forciert werden.

Ein Zeichen dafür, wie gestört die Beziehung war, ist die Reaktion meines Mannes, der ernsthaft glaubte, dass „wir müssen reden“ darin münden würde, dass ich ihm sage, ich bin wieder schwanger, während ein weiteres Kind das allerletzte war, was ich in der Situation wollte.

Die Beziehung mit dem Ex-Kollegen war eine absolute Katastrophe und im Nachhinein eine der größten Dummheiten, die ich je verzapft habe. Selten hat mich etwas emotional so kaputt gemacht, so nachhaltig zerstört wie die drei Monate mit diesem narzistischen Egomanen, dessen einziges Ziel war, sein Ego um jeden Preis zu pushen. Natürlich hab ich das erst nach und nach mitbekommen, am Anfang hoffte ich nur auf einen Anker, der mit in diesen turbulenten Zeiten Halt gibt, mich emotional unterstützt und mir ein wenig den Rücken freihält. Denn zum Beziehungsende hatte ich auch gleich den Arbeitsplatz gewechselt. Und zu allem Überfluss war die alte Wohnung bereits gekündigt. Bei mir war also alles im Umbruch.
Mein Mann derweil wachte endlich aus seinem Verantwortungskoma auf. Vermutlich war dieser harte Schnitt das einzige Mittel, um ihn wirklich aufrütteln zu können. Er bemühte sich nach Kräften, um selbst nicht den Halt zu verlieren. Vor allem aber wollte er nicht so einfach aufgeben. Also kümmerte er sich um eine Paartherapie, die zunächst nur darauf ausgerichtet war, einen vernünftigen Umgang zwischen uns beiden sicherzustellen. Doch schon bei der ersten Sitzung merkten wir beide, dass wir noch lange nicht miteinander fertig waren. Als er gefragt wurde, was ihm an mir denn ursprünglich so gefallen hatte, machte er mir eine glühende Liebeserklärung. Im Gegenzug konnte ich ebenso jede Menge toller Sachen auflisten, an die ich mich kaum mehr erinnert hatte, weil die akuten Probleme des Alltags all dies übertüncht hatten. Nach der zweiten Sitzung beendete ich die Nebenbeziehung mit dem Ex-Kollegen und fühlte mich seit Monaten wieder frei und erleichtert.
Bei einem gemeinsamen Abendessen redeten mein Mann und ich ausführlich über alles, was uns bewegt, was für Sorgen wir haben, was wir voneinander erwarten, wie wir uns die Zukunft vorstellen. Erneut stellten wir fest, dass wir grundsätzlich in die gleiche Richtung schauen und uns viel mehr eint als trennt. Wir beschlossen, unsere Ehe fortzuführen, gemeinsam in die von mir ausgesuchte Wohnung zu ziehen und generell ein wenig besser aufeinander aufzupassen.

Das klappte am Anfang auch ganz gut. Mein Mann kümmerte sich wieder um die Familie und um sich selbst. Denn in seiner Abgeschottetheit hatte er nicht nur uns, sondern eben auch sich aus den Augen verloren. Durch die Trennung reaktivierte er seinen Freundeskreis, traf sich mit Kumpels, ging abends weg.
Er war zudem bereit, sich neuen Herausforderungen zu stellen. So wollte er endlich den Führerschein machen, vor dem er sich immer gedrückt hatte. Es wäre ihm zu stressig, zu viel Verkehr, die vielen anderen Autos. Letztendlich eine Ausrede nach der anderen, um bloß keine Verantwortung übernehmen zu müssen. Denn sitzt man einmal am Steuer eines Autos, dann entscheidet man, wohin die Reise geht und ist zuständig für die Sicherheit aller Insassen und teilweise auch für die der anderen Verkehrsteilnehmer. Ein Wegducken ist nicht möglich. Dennoch meldete er sich bei einer Fahrschule an und machte sogar den Erste-Hilfe-Kurs. Dann jedoch war die Vermeidungsstrategie zu stark und das ganze Vorhaben verlief im Sand.

Während der Paartherapie bekamen wir von der Therapeutin Aufgaben gestellt, die unsere Kommunikation und das Zusammenleben verbessern sollte. Eine dieser Aufgaben beinhaltete, dass wir einen regelmäßigen Termin etablieren sollten, an dem wir uns einmal die Woche 90 Minuten füreinander Zeit nehmen. Dabei sollten für das Zuhören neu lernen. Jeder Partner bekam einen festen Zeitblock, 30 Minuten, eingeräumt, in dem er alles erzählen könne, was ihn beschäftigt. Der andere darf ihn in dieser Zeit nicht unterbrechen, sondern hört sich alles aufmerksam an. Nach den 30 Minuten ist der andere dran und darf ungestört erzählen. Hinterher kann man gemeinsam über das Gehörte sprechen. Ich fand die Idee klasse, denn das war genau das, was ich mir gewünscht hatte. Gehör zu finden. Es mag bezeichnend sein für unsere Beziehung, dass wir es nicht ein einziges Mal schafften, einen solchen Termin zu realisieren.
Eine andere Aufgabe war, dass mein Mann eine gemeinsame Unternehmung ganz allein planen sollte. Er suchte das Ziel aus, er sagte, wann es los ging, er bestimmte, welche Sachen wir dazu benötigten. Ich sollte ihn einfach machen lassen, nicht reinreden und vor allem nicht bereits vorher kritisieren. Allerdings wäre mir das nie in den Sinn gekommen. Ich wollte immer schon, dass wir mehr gemeinsam unternehmen, aber jedes Mal, wenn ich einen Vorschlag brachte, wurde der abgelehnt. Zu weit, zu teuer, interessiert mich nicht, keine Lust, schlechtes Wetter. Völlig gleich.
Dieses Mal erklärte sich mein Mann dazu bereit, er schaute im Internet nach interessanten Zielen in der Umgebung und eine Woche später fuhren wir zu einem kleinen Dorf im Umland, wo wir uns eine kuriose Kirchenattraktion anschauten. Anschließend ging es in einen nahe gelegenen Wald, wo wir zwei Stunden durch frisches Frühlingsgrün spazierten. Der Kleene konnte durchs Unterholz toben, wir Großen redeten. Entspannt und glücklich fuhren wir danach heim und alle fanden, das dies ein gelungener Ausflug war.

Ich hoffte, dass dieses positive Beispiel meinen Mann motivieren würde, sich auch in Zukunft mehr zuzutrauen, mehr Ausflüge zu planen, mehr Verantwortung zu übernehmen. Leider blieb es bei diesem einen Ausflug und meine Vorschläge wurden wie gewohnt abgeschmettert. Ab und zu kam mal ein „wir könnten doch dies oder jenes machen“, aber es blieb immer beim Konjunktiv.
Dazu kam, dass uns der Alltag schnell wieder im Griff hatte, neue Wohnung, endlich ein Kindergartenplatz, die neue Arbeitsstelle. So viele Dinge, die unsere Aufmerksamkeit verlangten, zu wenig Zeit und Energie, um sich den Nebenkriegsschauplätzen widmen zu können. Immerhin hatten wir einen Teil der alten Vertautheit wieder gefunden und dies blieb nicht folgenlos.

Im Juni 2013 war ich erneut schwanger und erneut änderten sich wieder die Rahmenbedingungen. Zwar wussten wir beide ungefähr, was auf uns zukommt, doch trieb uns zugleich die Sorge um, ob und wie wir das mit zwei Kindern hinbekommen würden. Die Sorge stellte sich zunächst als unbegründet heraus, denn wie aufmerksame Blogleser wissen, endete diese erste zweite Schwangerschaft in einer Fehlgeburt in der 6. Woche. Und auch diese Situation stellte sich im Nachhinein als Zustandsbeschreibung unserer Beziehung heraus.
Mein Mann und ich waren gemeinsam beim ersten Vorsorgetermin, bei dem ich kurz vor der Untersuchung eine leichte Blutung feststellte. Die Ärztin bemerkte vermutlich das Gleiche, denn sie wollte mir keinen Mutterpass ausstellen, obwohl im Ultraschall eine schöne Fruchthöhle zu sehen war. Intuitiv spürte ich, dass etwas nicht stimmte und brach innerlich völlig zusammen. Ich hatte mich so auf ein zweites Kind gefreut und diese Freude wandelte sich on pure Verzweiflung.
Da wir nach der Untersuchung noch den Kleenen vom Kindergarten abholen mussten, riss ich mich zusammen, um nicht völlig verheult an der Bushaltestelle zu stehen, war aber still geworden und antwortete meinem Mann nicht mehr. Dieser erzählte und erzählte und bekam gar nicht mit, dass ich nicht zuhörte, dass ich am ganzen Körper zitterte und mit den Tränen kämpfte. Erst als wir daheim waren, über eine Stunde später, fiel ihm die Veränderung auf. Zu meiner Verzweiflung kam noch bittere Enttäuschung, irgendwie hatte ich mehr erwartet, mehr Rücksicht oder mehr Aufpassen oder mehr Sensibilität.
Am nächsten Tag war deutlich, dass es zu einem vorzeitigen Abbruch gekommen war, ich wurde drei Tage krank geschrieben und pflegte in dieser Zeit meine Verzweiflung.

Zufall? Schicksal? Karma? Glück? Was auch immer es war, ich wurde jedenfalls direkt im nächsten Zyklus wieder schwanger und diesmal blieb das Kind. Die Vorzeichen und Sorgen änderten sich jedoch nicht. Was sich änderte, war meine Einstellung zum Leben.
Schon lange Zeit hatte ich eine Rundreise durch den Süden Englands geplant. Zuerst wollte ich die Reise alleine antreten, denn nach dem Frankreichdesaster war ich der Auffassung, dass mein Mann einen hauptsächlich im Auto stattfindendenden  Urlaub generell ablehnen würde. Als ich ihm von meinem Plan erzählte, protestierte er, er würde sehr wohl so eine Reise mitmachen und auch das viele Autofahren würde ihn nicht stören. Blieb noch die Frage, was wir mit dem Kind machen. Ich fand, dass diese Art Urlaub nichts für ein kleines Kind von 2 oder 3 Jahren wäre. Wir versuchten, unseren Urlaub mit denen der Großeltern zu synchronisieren, aber ein ums andere Jahr wollte uns das nicht gelingen. Als ich dann schwanger wurde, sah ich mich mindestens die nächsten 10 Jahre im immer gleichen Nest an der Ostsee Urlaub machen, weil man solche Urlaube eben mit kleinen Kindern macht und ging fest davon aus, als Konsequenz niemals mehr nach England zu kommen.
So organisierte ich innerhalb von 2 Monaten die 3-wöchige Rundreise – nachzulesen auf 9erblogunterwegs. Mein Mann half mir tatkräftig bei der Planung und tat durch Internetrecherchen und Freundesbefragung unzählige Ziele auf, die einen Besuch lohnten. Wir warfen alle unsere Ziele zusammen und stellten dann gemeinsam den Urlaubsreiseplan auf, der die Vorlieben und Wünsche jedes Beteiligten berücksichtigte. Wie allgemein bekannt, war der Urlaub ein voller Erfolg, noch heute schwärmen wir drei davon.
Es ist ein neuerlicher Beweis, dass mein Mann völlig unbegründet diese Panik vor der Verantwortung hat, denn alles, was er bislang angepackt hat – vom leidigen Stromrechnungsthema mal abgesehen – hatte Hand und Fuß und gelang.

Aber irgendwie will das einfach nicht in den Kopf meines Mannes. Denn je mehr die Schwangerschaft fortschritt, desto mehr begann er sich wieder zurückzuziehen, wieder in die alten Muster zu verfallen. Die Fahrschule war schon lange ad acta gelegt, sämtliche Entscheidungen rund ums Kind hat er mir überlassen. Selbst beim Thema Namen drückte er sich davor. Beim ersten Kind war er noch aktiv beteiligt, machte Vorschläge und wir palaverten lang und breit, bis wir uns auf einen Namen einigen konnte. Da wir das Geschlecht vorher nicht wussten, hatten wir sogar Jungen- und Mädchennamen parat. Beim zweiten Kind kam gar nichts. In meiner Verzweiflung bat ich die Ärztin, nachzuschauen, was es wird, um wenigstens die Auswahl eingrenzen zu können. An unserem Hochzeitstag gingen wir wie üblich essen und ich wollte die gemeinsame Zeit nutzen, um über mögliche Namen zu diskutieren. Ich schlug meinen Favoriten vor, er sagte, ok, geht klar. Fertig. Einerseits freute es mich, dass mein Vorschlag angenommen wurde, andererseits fühlte es sich an, als hätte ich jeden x-beliebigen Namen (außer vielleicht Stahlfrieda) nehmen können und es wäre ihm genauso egal gewesen. In den Monaten vor der Geburt überlegte ich hin und her, wie wir das platzmäßig hinkriegen. Dass das Kinderbett bei uns im Elternschlafzimmer stehen würde, war klar. Aber wohin mit den Anziehsachen, Wickeltisch, etc.? Ich entschied alles alleine, organisierte alles alleine, baute alles alleine um. Mein Mann war schon längst wieder in seiner eigenen Welt und ich hab es wieder mal nicht mitbekommen.

Das Kindlein kam und wir hatten erstmal genug zu tun, uns in der neuen Situation zurecht zu finden. Die Kleene war außerdem richtig anstrengend, knapp an der Grenze zum Schreikind. Die OP und der Krankenhausaufenthalt kurz nach der Geburt waren ebenso wenig zuträglich für die Gesamtsituation. Um nicht komplett einzugehen, widmete ich mich den damaligen Urlaubsplänen, 3 Wochen Italien. War bei der Englandplanung mein Mann noch voll dabei und machte einen Vorschlag nach dem anderen, was wir uns anschauen könnten, so war bei Italien nach dem initialen Enthusiasmus ganz schnell Feierabend. Ich versuchte wieder und wieder, mit ihm die Pläne durchzusprechen, aber er hörte, wenn überhaupt, dann nur mit halbem Ohr hin.
Natürlich drückte das alles auf die Grundstimmung, aber ich dachte, dass ein Urlaub, ein Ausbrechen aus dem Alltag, uns allen gut tun würde und sich dadurch vielleicht auch etwas ändert.

Leider war dem nicht so. Der Urlaub war nicht so toll wie erhofft, was unter anderem daran lag, dass die meisten Pläne auf meinem Mist gewachsen waren und sich mein Mann dementsprechend nicht darin wieder fand. Dies wiederum quittierte er durch ausgiebiges Grummeln, was sich auf meine Stimmung niederschlug und er mir immer wieder vorwarf, ich hätte schlechte Laune. Die Erholung hielt sich in Grenzen, selbst wenn wir jetzt mit einigem Abstand durchaus positiv auf die Reise und die damit verbundenen Erinnerungen zurückschauen können.
Aber es hatte sich eben nichts an der Gesamtsituation geändert. Mein Mann lebte immer noch mehr oder weniger für sich, ich war mehr oder weniger frustriert und wir lebten mehr oder weniger nebeneinander her. Der Urlaub hatte ein ordentliches Loch in unseren Geldbeutel gerissen, welches durch andere ungeplante Ausgaben noch vergrößert wurde. Mich belasten finanzielle Sorgen seit je her stärker als es andere Personen belasten würde, weswegen ich auch nie ein Haus auf Pump kaufen könnte. Es nervt mich jetzt schon massiv, dass ich das neue Auto in den nächsten 2 Jahren abstottern muss. Meinen Mann lassen solche Sorgen kalt. Es mag sein, dass ich an dieser Einstellung maßgeblich Schuld bin, denn in der Vergangenheit habe ich es immer wieder geschafft, eine schnelle und wirksame Lösung für solche Engpässe zu finden. Doch dieses Mal waren alle unsere Reserven aufgebraucht und das Ende der Fahnenstange definitiv erreicht. Ich konnte meinem Mann von den Sorgen erzählen, hätte dies aber genauso gut auch der Wand sagen können, wobei ich bei der Wand gar nicht erst erwartet hätte, dass sie mir zuhört.

Das Ende vom Lied war, dass mein Mann bei der Studentenfaschingsfeier im November eine Studentin kennenlernte und sich Hals über Kopf in sie verliebte. Sie verkörperte alles für ihn, was er so vermisste. Freiheit, Unabhängigkeit, die Möglichkeit, eigene Ziele zu verfolgen, ohne auf jemanden Rücksicht nehmen zu müssen, Zeit zu haben, um kreativ sein zu können.

Ich hatte nach der Geburt des Großen versucht, mir all dies in Teilen zu erhalten. Ich nahm mir in Absprache mit meinem Mann heraus, spontan mit Kollegen nach Feierabend noch wegzugehen. Ich traf mich mit Freunden, um die eine oder andere Kneipentour zu veranstalten. Ich bloggte wie wild, um meiner Kreativität eine Bühne zu geben. Ich wechselte den Job, weil ich mir dadurch mehr Perspektiven erhoffte. Das sind alles keine großen Dinge, nichts, was die Familie komplett ins Abseits stellt, was mich aber als Person, als Individuum bestärkte und mich eben nicht auf die Rolle „Mutter“ oder „Ehefrau“ beschränkte.
Mein Mann hingegen hatte sich abgeschottet. Nicht nur von mir, sondern auch von seinen Freunden. Immer wieder kamen Einladungen von Kumpels zu Konzerten, Geburtstagsfeiern, Parties. Immer wurde ich gefragt, ob es ok ist, wenn er da hin geht. Bis auf ein einziges Mal war es das auch, und das eine Mal war schlicht zu kurzfristig. Nach einem superanstrengenden Tag war es mir einfach zuviel, zwei Stunden vor Ultimo vor die Frage gestellt zu werden, ob ich den Abend noch alleine die Kinder versorgen könnte. Dabei kam diese Einladung nicht mal spontan, sondern er wusste mindestens seit einer Woche davon. Und hätte ich ebenso davon gewusst, hätte ich mich darauf einrichten können und dann wäre es auch gegangen.
Es wäre letztendlich trotzdem egal gewesen, denn am Ende ist er keiner dieser Einladungen gefolgt. Zu den jeweiligen Terminen war er zu müde, hatte keine Lust, waren die Kinder zu anstrengend oder sonstwas. Er hat schlicht seinen Hintern nicht hochbekommen. Machte mir nun aber nach der verhängnisvollen Faschingsfeier den Vorwurf, dass ich an seiner Eingeschränktheit Schuld sei.

Nachdem ich damals den ersten Schock überwunden und einigermassen wieder klar denken konnte, versuchte ich mehr über die andere Frau und denn allgemeinen Sachstand herauszufinden. Anscheinend war es für sie wohl nur ein netter Flirt gewesen oder sie war nüchtern betrachtet doch nicht so attraktiv, jedenfalls druckste mein Mann immer öfter herum, als ich fragte, wie es weitergehen sollte. Ob er eine eigene Wohnung bezieht oder gleich mit ihr zusammen wohnt. Wie er sich das mit den Kindern vorstellt.

Er wollte erstmal weitermachen wie bisher. Er wollte es auch niemandem sagen und wollte auch nicht, dass ich es jemandem sage. Vor allem wollte er das alles vor den Kindern geheim halten, wenigstens bis nach Weihnachten, denn das wolle er ihnen unbedingt nicht verderben. Da wir Weihnachten immer bei meinen Eltern feiern, konnte ich es auch nicht meinen Eltern sagen, da diese sich mit Sicherheit nicht zurückgehalten hätten. Ich stand also ziemlich allein auf weiter Flur und musste sehen, wie ich mit der Situation klar komme.

Eines Abends war mir das alles zu blöd und ich sagte ihm, dass er gerne mit der Frau durchbrennen kann, nur dass es dabei genau ein Problem gäbe. Dass er nämlich beim Durchbrennen mit dabei sei und dass er seine Persönlichkeit, seine Lethargie, seine Problembewältigungsstrategien und seine Probleme mitnimmt und dass dadurch über kurz oder lang jede Beziehung mit wem auch immer scheitern muss. Ich war so wütend auf ihn, weil er mir die Schuld für das Scheitern gab und er sich – mal wieder – vor der direkten Verantwortung drückte. Und ich sollte den Scheiß jetzt ausbaden, den ich nicht verursacht hatte. Ich tobte vielleicht eine halbe Stunde lang, ich schrie ihn an und zählte bis ins kleinste Detail die Unzulänglichkeiten seiner Lösungsmechanismen auf und fragte ihn, was ich denn seiner Meinung nach hätte tun sollen, was ich hätte anders machen können. Ich hatte seit Jahren seine ungeteilte Aufmerksamkeit und wollte das unbedingt ausnutzen.

Er hörte sich das alles an und sagte nichts. Ich merkte aber, dass ich diverse wunde Punkte getroffen hatte. Letztendlich hatte ich in der halben Stunde ein Psychogram von ihm erstellt, soweit mir das mit meinen bescheidenen psychologischen Mitteln möglich war, und schonungslos vor den Latz geknallt. Dabei habe ich ihn weder beleidigt noch nieder gemacht oder beschimpft, sondern ihm nur ganz offen geschildert, was ich sehe bzw. worin ich die Ursachen seines Verhaltens und damit unserer Situation sehe.

Als er das nächste Mal mit mir sprach, räumte er ein, dass ich mit jedem Punkt recht habe. Er hätte lange darüber nachgedacht und er wäre zu dem Entschluss gekommen, sich nun doch nicht mehr trennen zu wollen. Na toll.

Nach einigem Nachdenken liess ich mich darauf ein, aber nur unter der Bedingung, dass er sich psychologische Hilfe holt. Es gibt gravierende Defizite und ich bin weder emotional nach fachlich in der Lage, ihm dabei zu helfen. Das kann nur ein Profi. Außerdem bezweifelte ich, dass sich ohne professionelle Hilfe grundlegend etwas an der Situation ändern würde. Er stimmte zu und wir versuchten es erneut.

Kurz darauf bekam ich die Kündigung meiner alten Firma und die Kleene musste erneut wegen einer OP ins Krankenhaus. Zusammen mit den Problemen der vorangegangen Monate war das zu viel für meine kleine geschundene Seele, das Depressionsloch tat sich neuerlich unter mir auf und erst im April, nachdem ich endlich einen Termin bei meiner Psychotherapeutin bekommen hatte, normalisierte sich mein Zustand langsam wieder.

In der Zwischenzeit drängelte ich meinen Mann, sich einen Therapeuten zu suchen. Ich half ihm mit Adressen und dabei, was er sagen sollte. Immer wieder fragte ich nach, auch auf die Gefahr hin, ihn zu nerven und das Gegenteil zu erreichen. Nach langer langer Zeit hatte er dann einen ersten Termin, zu dem er auch ging. Aber spätestens nach dem zweiten Besuch war Schluss. Hin und wieder frage ich noch nach, ob er denn mal wieder dort gewesen sei, aber das wird immer verneint. Ich weiß, ich müsste da mehr hinterher sein, aber mein neuer Job und die Kinder lenken gut ab.

Dennoch gibt es einen grundlegenden Unterschied zwischen damals und heute. Ich bin radikaler in meinen Ansagen.
Wenn ich ihm sage, dass ich bspw. mehr Unterstützung bei ihm in einer bestimmten Sache erwartet hätte, geht er sofort in Abwehrhaltung, relativiert alles oder versucht, mir die Schuld zuzuschieben. Ich weise das konsequent von mir, woraufhin er mürrisch wird und halt schlechte Laune hat. Woraufhin ich wiederum ihn frage, wie ich ihm denn sonst mitteilen soll, wenn mir etwas nicht gefällt oder wenn ich etwas an der Situation ändern möchte. Irgendeine Form der Kritik muss mir doch möglich sein oder wie sollten wir sonst unser Zusammenleben regeln. Danach grummelt er zwar immer noch, aber eine wirkliche Antwort hat er darauf nicht.
Anmerkung für die Psycho-Erfahrenen: Natürlich sage ich nicht „du hast mir dabei nicht geholfen“, sondern „ich bin enttäuscht, dass du mir dabei nicht geholfen hast“. Immer brav die Ich-Aussagen, ohne Schuldzuweisung und übertriebene Emotionalität, so dass er immer einen Handlungsspielraum hat und nicht automatisch in die Verteidigungsecke gedrängt wird, wie das bei „du hast das und das (nicht) gemacht“ geschieht.
Ebenso agiere ich, wenn er anfängt zu grummeln, was er ziemlich häufig macht. Sein Grummeln überträgt sich fast sofort auf mich, dann fange ich an zu grummeln und dann schaukelt sich das oft schnell hoch. Wenn er also anfängt zu grummeln, dann sage ich ihm, dass er grummelt. Oder wenn er mir zu aggressiv reagiert, ich ihn etwas frage und er für meinen Geschmack überzogen heftig antwortet. Er schaut mich dann meist verwundert an und meint, er hätte gar nicht gegrummelt oder wäre gar nicht aggressiv. Woraufhin ich erwidere, dass dieses Verhalten schon so zu seiner zweiten Natur geworden ist, dass er das gar nicht mehr bemerkt.
So mache ich das auch bei allen Situationen, bei denen ich merke, dass er sich aus der Verantwortung stehlen will. Klare Ansage, immer situationsbezogen, fast immer sachlich. Ich kann ihn nicht ändern, aber ich kann mein Verhalten ändern und damit sein Verhalten beeinflussen. Ist zwar immer noch nur suboptimal, aber besser als gar nichts. Und zumindest im Moment scheint es einigermassen stabil zu laufen.

Noch nicht gut, dennoch denke ich, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Natürlich wäre es hilfreich, wenn er (s)eine Therapie durchzieht. Ich kann allerdings auch verstehen, dass bei seiner Vergangenheit dies ein unglaublich schmerzhafter Prozess ist und Vermeidung so verlockend ist. Zu seinem Glück zwingen kann ich ihn jedoch ebenso wenig.

Und so wurschteln wir uns durch denn Alltag und versuchen, das gegenseitig verlorene Vertrauen wieder aufzubauen. Mir fällt das zugegeben sehr schwer, die Angst, dass wieder alles vorbei sein soll, ist mein ständiger Begleiter.
In einem früheren Leben war ich immer auf der Suche nach dem Traummann und ich denke, ich habe ihn gefunden. Mag er auch nicht der Idealmann sein, so ist er für mich die beste Ergänzung, denn nicht immer ist das, was man möchte, auch das, was man braucht!

In unsere Eheringe haben wir auch einen Spruch gravieren lassen, war schließlich mit im Preis drin. Wir haben sehr lange nach den passenden Worten gesucht. Gefunden haben wir

Nunc scio quit sit armor!

Florenz <3

Weil mich das mit dem WordPress-Skalierungsproblem so wurmte, hab ich mich hingesetzt und meinen Rechner nach nützlichen Programmen durchforstet, die mir das leidige Skalierungsthema ein wenig erleichtern mögen. Normalerweise nutze ich GIMP zur Bildbearbeitung, das kann aber meines Wissens nur einzelne Bilder bearbeiten, das aber dafür ziemlich gut. Fündig wurde ich bei IrfanView, das grundlegende Bildbearbeitung wie Umbenennung oder Skalierung in einem Batchverfahren anbietet. Ein wenig Versuch&Irrtum und ein klitzekleinwenig Fluchen später, und ich hatte den Dreh raus. Damit konnte ich relativ schnell alle Bilder des Florenzbeitrags ersetzen und den Artikel fertig schreiben.

Und da isser zu bestaunen. Sollte man übrigens direkt vor Ort auch mit Florenz tun 🙂

Nachtrag: Eins-schwupps-drei sind alle Italien-Beiträge mit skalierten Bildern versehen und ich bin inklusive der Englandbilder bei gerade mal 8% Speicherplatznutzung. Keine schlechte Quote, wenn ich an die 22% vor der Umstellung denke!